(Mai 2010) Faszinierende Ideen setzt der US-Künstler Larry Kirkland mit dem Material Stein um. Seine Auftraggeber sind Universitäten, die sich einen markanten Ort geben wollen, Städte, die einem Bürger ein Denkmal setzen oder private Investoren, die für ein Projekt eine Attraktion wünschen, um nur einige zu nennen.
Sein jüngstes Werk hat Kirkland für die Texas Tech University vollendet, genauer: deren Medical School in El Paso. Diese Einrichtung für medizinisches Forschen und Studien hat zwei neue Gebäude, und die sollten optisch und symbolisch miteinander sowie mit der Außenwelt um den Campus herum verbunden werden.
Kirkland schuf einen beinahe mystischen Weg zwischen den beiden Gebäuden, voll mit symbolischen Bezügen zur Medizin und Natur, das Ganze aufwändig in Stein gestaltet. Der Boden ist mit rotem Balmoral Granit belegt, über dessen ganze Länge von rund 60 m sich die Doppelhelix der DNA zieht. In die wiederum sind Bilder von Tieren eingraviert, die, nun ja, den Passanten irgendwie anschauen oder sogar auf ihn zuzukommen scheinen.
Noch markanter sind die vier Portale. Die beiden Äußeren sind wie Schlüssellöcher gestaltet und erinnert so an das Wissen, das sich die Anfänger erarbeiten müssen und das sie später bei ihrer Arbeit einsetzen werden. Das Material ist polierter schwarzer Granit.
Im Kontrast dazu sind die beiden inneren Portale aus gelbem und rotem Granit gefertigt. Sie tragen die Seitenansicht eines menschlichen Kopfes, einmal als Außenform für das Portal und einmal innen.
Die Aufgabe, die Außenwelt aufs Gelände zu holen, erfüllte Kirkland durch die Pflanzenmuster auf den Portalen. Diese sind unverkennbar der spanischen Tradition entnommen, und Mexiko liegt ja nicht weit jenseits der Grenze. „El Intercambio“ („Der Austausch“) ist der Titel des Kunstwerks.
Insgesamt ist das Arrangement nicht bloß Dekoration, sondern hat auch eine Funktion, in diesem Fall eine Aussage. Sie besteht in dem Appell an sowohl Forscher als auch Dozenten und Studenten: sie sollen sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Patienten und gegenüber der Natur bewusst bleiben.
Ein anderes Projekt war „Orbis Terrarum“ („Weltatlas“) für das „ResidenSea Cruise Ship“ aus dem Jahr 2002. Bei diesem Schiff handelt es sich einen Kreuzfahrtdampfer mit Apartments, der um die Welt fährt und auf dem die Eigentümer dauerhaft oder zeitweilig wohnen können. Der Name bezieht sich auf den einen Atlas von 1570, in Antwerpen gedruckt und „Theatrum Orbis Terrarum“ genannt, der die Länder und Meere nach damals aktuellstem Wissensstand darstellte.
Hier gestaltete Kirkland Teile der Lobby an Bord. Den Boden der Eingangshalle ziert eine Fläche aus schwarzem Granit, in die eine alte Küstenkarte eingraviert ist. Eingearbeitet sind Darstellungen aus der alten Seefahrt, etwa der Aufriss eines Schiffskörpers oder Seemannsknoten. Durch ein Portal mit Stahlplatten, die Höhenlinien zeigen, wird der Blick auf eine Sternenkarte gelenkt. In ihren schwarzen Granit sind weiße Flächen eingesetzt, die Himmelsdarstellungen aus alten Kulturen tragen, etwa chinesische Darstellungen eines neu entdeckten Sterns oder eine Eskimo-Karte des Winterhimmels.
Nicht weniger außergewöhnlich ist Kirklands Arbeit für die Iwate University in der Stadt Marioka in Japan. „Reflections“ („Nachdenken“) ist der Titel, passend zum Ort. Dafür hat er einen monumentalen Kopf aus weißem Marmor in fünf senkrechte Scheiben zersägt. Jede von ihnen trägt in ihrem Inneren ein Symbol für das Denken, etwa die fliegende Schwalbe, den Blick zurück oder das Überlegen, dargestellt anhand von Symbolen in neun kleinen Fenstern, von denen eins leer geblieben ist.
Auffallend an Kirklands Kunst ist, dass er nie nur einen Stein etwa als Skulptur hinstellt. Meist schafft er räumliche Inszenierungen, die aus mehreren Stücken bestehen. So war es auch bei dem Kopf für das Iwate-Projekt, bei dem die fünf Schnitte miteinander in Bezug stehen und einzelne Aspekte des Themas behandeln.
Eine mehrteilige Installation ist auch das Denkmal „A Writer’s Desk“ („Schreibtisch eines Schreibenden“) für Rolfe Neill in Charlotte, North Carolina. Es erinnert an den Herausgeber einer für den Ort wichtigen Lokalzeitung. Platziert wurde es vor dem Children’s Learning Center, für das es ebenfalls Aufmerksamkeit schaffen sollte.
Kirkland stellte sich der geforderten Multifuktionalität und schuf eine Mischung aus Denkmal und Spielplatz. Überall auf dem Platz finden sich die Werkzeuge der schreibenden Zunft, die aber auch hier nicht nur Dekoration sind, sondern eine Funktion haben: herumliegende Bleistifte sind Bänke, Schreibmaschinentasten dienen als Sitzgelegenheiten, die wiederum auf eine Bühne hin ausgerichtet sind. Umgekippte Handstempel tragen moralische Appelle an die Journalisten.
Mittelpunkt ist ein Turm aus Büchern, den ein Tintenfass mit der obligatorischen Feder krönt. Verwendet wurden verschiedene Sorten von Marmor und Granit.
Für die Ausführung der Arbeiten am Stein verlässt sich der Künstler auf seine „rechte und linke Hand“, wie er in einer Mail schreibt: dabei handelt es sich um die Firmen Laboratorio di Scultura SGF aus der Nähe von Carrara und Elite Granite and Marble aus Hillsboro in Oregon.
Neu aufgenommen in diesen erlauchten Kreis wurde vor einem Jahr die Firma Rock of Ages aus Graniteville, Vermont. Sie zeichnete für das Projekt im kalifornischen Pasadena zuständig, das gegenwärtig entsteht und voraussichtlich im Juni der Öffentlichkeit übergeben wird.
In den nächsten Monaten erscheint ein Buch über Kirklands Arbeiten („Natural Histories. Public Art of Larry Kirkland“, Essay by Nancy Princenthal, Architecture and Interiors Press). Darin sind etliche weitere bemerkenswerte Arbeiten beschrieben: etwa „Garden Stair“ für eine Bibliothek in Portland, Oregon, wo in die Stufen aus schwarzem Granit prächtige Muster von Pflanzen- und Tierornamenten eingraviert sind; oder „Vox Populi“ für das Metroview Federal Building in New Carrollton, Maryland, mit zwei Säulen und einer Pyramide in weißem Marmor und schwarzem Granit, die symbolisch Merkmale der Republik zeigen.
Oder der „Story Garden“ im Waterfront Park in Portland: einem Irrgarten nachempfunden, sind mit Steinplatten Wege über eine Wiese gelegt. Die Granitplatten zeigen Szenen, wie sie in einem Menschenleben vorkommen können.
Fotos: Larry Kirkland