Ein reizvolles Spiel mit Gegensätzen hat das brasilianisch-französische Architekturbüro Triptyque bei diesem Gebäude inszeniert: das Haus hat unverkennbar die Gesamtform eines monolithischen Würfels, ist aber trotz dieser Kompaktheit vielfach aufgelockert. Und der Marmor, mit dem der größte Teil des Würfels verkleidet ist, geht an manchen Stellen unerwartet in Glas über, was dem ganzen Block trotz der Natursteinverkleidung ein leichtes und beinahe schwereloses Aussehen gibt.
Das schafft Spannung beim Betrachten und lädt zum Betreten und Nachschauen ein.
Es handelt sich um das Gebäude Groenlândia in der Straße gleichen Namens in einer feinen Umgebung in Brasiliens Metropole São Paulo. Gebaut wurde es für eine kommerzielle Nutzung. Das Büro Triptyque wurde 2007 in São Paulo gegründet und richtete ein Jahr später einen Ableger in Paris ein.
Eigentlich ist die Architektur eine Etude über das Thema Ausschnitte in Mauern und Leerstellen in der Fassade:
langgezogen sind sie im Dach..,
… quadratisch in den Fenstern..,
… schließlich scheint eine ganze Etage weggeschnitten zu sein, an deren Stelle man nur die Fensterfront unter dem Dach sieht.
Besonders originell sind einige Ecken. Im Erdgeschoss gibt es sogar ein Wasserbecken, das in einem Raum zu beginnen und im Garten zu enden scheint.
Hier gehen Drinnen und Draußen optisch ineinander über, so wie bei dem gesamten Bauwerk Schwere und Leichtigkeit permanent interferieren. Selten hat man so ein reizvolles Zusammenspiel von Glas (in den Fenstern und fehlenden Ecken) und Marmor (als Fassadenverkleidung drumherum) gesehen.
Das I-Tüpfelchen der Leerstellen-Architektur aber sind die 3 Guckkastenfenster, mit denen, so die Architekten, die Vorderfront „gepierct“ ist.
Die Fensterläden sind hier aus massivem Stein, lassen sich aber dennoch öffnen und schließen. Weil aber die Glasscheibe erst in einigem Abstand dahinter folgt, scheint die gesamte Steinfassade von der Mauer losgelöst zu sein und frei vor dem Inneren zu schweben.
Ebenfalls ungewöhnlich an dem Gebäude ist, dass es weder eine Mauer noch einen Zaum zur Straße hat. Wir haben deswegen bei den Architekten nachgefragt, schließlich ist in Brasiliens Städten die Kriminalität sehr hoch. „Wir wollten eine Verbindung von der öffentlichen Straße zum privaten Gebäude herstellen“, schrieb uns Margaux Triptyque, „es gibt einen Wachdienst auf den Straßen in dem Distrikt.“
In unseren Worten ausgedrückt: in dieser Architektur wurde die Leichtigkeit des Samba gebaut, ergänzt um den Charme von Paris, und weit entfernt von den Problemen der brasilianischen Städte.
Der Marmor kommt übrigens aus Brasilien und heißt Cachoeiro White. Die hier verwendete Sorte hat kräftige grüne und blaue Adern. Abgebaut wird der Stein im Bundesstaat Espírito Santo von der Firma Mineração Santa Clara. Die Natursteinarbeiten führte die Firma Granicut aus.
Fotos: Pedro Kok
(29.01.2015)