Jäger und Sammler, Kämpfer und Reiter, Häuser, Tiere, Schriften im etruskischen Alfabet und abstrakte Symbole: Tausende in Stein gemeißelte Darstellungen überziehen die grauen Felsen des Tales Valcamonica in der Lombardei. In die Flanken der Felswände sind in der Zeit zwischen 4000 v. Chr. und dem Mittelalter mehr als 50.000 Petroglyphen geschlagen worden. Sie werden Pitoti genannt, was im lokalen Dialekt „kleine Puppen“ bedeutet. Sie zählen zum Unesco-Weltkulturerbe und zeigen Jagd-, Duell- und Tanzszenen sowie Europas erste Landkarte.
Die Darstellungen sind jedoch nur schwer zugänglich – und verletzlich. Das EU-Projekt 3D-Pitoti erfasst den Stand der Gravuren und macht diese mit moderner Medientechnik für ein breites Publikum zugänglich. Der Einsatz von 3D-Kameras, Drohnen und neuen Analysemethoden erleichtert den Archäologen aus England, Österreich, Deutschland und Italien die Arbeit.
„Die traditionelle Methode des Dokumentierens ist sehr zeitaufwendig: Wir müssen die Figuren per Hand auf Plastikfolien malen. Da sich die Folien mit der Temperatur verändern, verzerrt das außerdem nachträglich die Zeichnungen. Die neue Technik liefert zudem weitere Details. Wir könnten so Antworten auf offene Fragen finden, wo wir mit den alten Methoden an die Grenzen gestoßen sind“, sagt Alberto Marretta, Archäologe und Direktor am Parco Archeologico Comunale di Seradina-Bedolina in Capo di Ponte im Valcamonica-Tal.
Im Rahmen des Projekts wird erstmals die Dreidimensionalität der Petroglyphen untersucht und aufgezeichnet. Daraus wollen die Wissenschaftler Rückschlüsse ziehen, wie die Bilder entstanden sind: etwa ob das Werkzeug aus Metall oder Stein war und auf welche Art gehämmert wurde. Über die Struktur der Schläge könnten sich bestimmte Stile klassifizieren und eventuell sogar einzelne Künstler identifizieren lassen.
(24.02.2015)