Zusammen mit dem Künstler Arnold Reinthaler ging es auch darum, die Kompetenzen der Handwerker wieder sichtbar zu machen
Bei der diesjährigen Landesgartenschau in Oberösterreich in der Stadt Kremsmünster gab es eine Präsentation der Steinmetze, in der sie das Thema Friedhof gegen den Strich bürsteten: zu sehen war eine künstlerische Auseinandersetzung mit Grabmälern während 2000 Jahren Christentum. Sie wurde als Parcours mit dem Titel „Der Wandel des christlichen Grabmals“ präsentiert, den die Besucher abschreiten konnten.
Die Arbeiten waren teils provokant.
Die Initiative war von der Landesinnung der Steinmetze ausgegangen, und am Anfang hatte ein Aufruf an alle Steinmetze Österreichs gestanden, sich an dem Projekt zu beteiligen. Am Ende gab es 13 Meister, die mitmachten.
Das Konzept hatte der Künstler und Steinmetz Dr. Arnold Reinthaler erarbeitet.
Wir beschreiben die einzelnen Arbeiten weiter unten.
Eine der Ideen hinter dem Projekt war auch, die Rolle des Handwerkers im Friedhofsbereich neu auszuloten. Reinthaler sieht den Steinmetzen als „künstlerischen Gestalter hochwertiger Erinnerungszeichen“, statt bloß als Händler von in Massenproduktion woanders vorgefertigten Grabmalen.
Ein Katalog mit Beschreibungen der einzelnen Arbeiten ist auf der Gartenschau zu bekommen oder kann über das Steinzentrum Hallein bezogen werden.
Landesgartenschau Oberösterreich Kremsmünster
Arge Urnenhain, Interview mit Dr. Arnold Reinthaler
Helmut Moser: „Das Grab Jesu“ (33 n.Chr.) am Eingang zum Parcours. Der Felsenbrocken, der ehemals vor die Gruft gerollt war, ist hier eine Bocca della Verità aus der Antike. Im Mittelalter kam die Sage auf, der jeder, der lügt und seine Hand in ihren Mund liegt, die Hand verliert.
Wolfgang Gollner: „Bunte Antike“. In der Antike waren Statuen meist bunt bemalt. Hier ist in den Marmor der Stele als Relief ein Bild von Roy Lichtenstein eingearbeitet, das eine trauernde junge Frau zeigt. Rundherum ist der Marmor mit der Farbe des Pop-Art-Bildes bemalt.
Hans Paar, „Das Gesetz des Mittelalters“: im Jahr 785 n.Chr. erließ Karl der Große das Edikt von Paderborn, indem er die Verbrennung der Verstorbenen bei Todesstrafe untersagte und eine Bestattung rund um die Kirche festlegte. Die beiden Kernsätze des Edikts sind hier in Stein gemeißelt.
Raimund Fuchs, „Eingrenzen und Ausgrenzen“: im Hochmittelalter war der Friedhof allgemein zum Ort für die Bestattung geworden, jedoch nicht für jedermann. Arme, Andersgläubige, Verbrecher oder Angehörige unehrenhafter Berufe blieben ausgeschlossen.
Thomas Pilsl, „Gotischer Peilstein“: Wichtig war noch im Hochmittelalter, dass das Grab auf die Reliquien eines Heiligen oder auf die Kirche ausgerichtet war. Beim Parcours peilt man jedoch nicht solche Orte an, sondern das Ende des Rundwegs und damit die Gegenwart.
Rudi Wienerroither, „Schriftbilder der Renaissance“: von der Renaissance an wird mit dem Buchdruck die Schrift alltäglich, und es werden die Namen der Toten auf den Grabmälern angebracht.
Norbert Kienesberger, „Im Tod sind alle gleich“: in der Renaissance wird der menschliche Körper vermessen und es werden Abdrücke genommen. Hier ist solch ein Abdruck ein Schnee-Engel, der entsteht, wenn sich jemand in den Schnee legt und mit Armen und Beinen rudert: Der Abdruck steht für die Person, die nicht mehr da ist – Besucher der Ausstellung sind eingeladen, sich in die Form hineinzulegen.
Ernestine Lehrer, „Das Totenbrett“: im Frühbarock wurden Tote vor der Beerdigung auf einfache Bretter gelegt. Solch ein Brett wird hier senkrecht gestellt – die Besucher sind aufgefordert, ihren Namen oder einen Spruch drauf zu schreiben und sich so in Erinnerung zu bringen.
Erich Trummer, „Der liebe Tod und ich“: im Hochbarock kommen auf den Friedhöfen Symbole für die Vergänglichkeit (vanitas) in Mode. Besonders beliebt ist der Totenkopf – hier in Marmor gefertigt und auf eine Stele gestellt. Besucher können sich daneben stellen und sich (und ihre unausweichliche Zukunft) in einem Spiegel betrachten.
Stephan Pointner, „Der bürgerliche Parkfriedhof“: Im 19. Jahrhundert kommt die Industrialisierung auch auf dem Friedhof an. Die Gräber werden mit Beiwerk aus Massenproduktion verziert.
Michael Gruber, „Die Würde des Menschen“. Der Schoßhund greift den biblischen Tanz ums Goldene Kalb auf. Am Fuß der Stele liegt Abfall mit Resten von Begräbnisurnen. 1963 erlaubte die Katholische Kirche die Verbrennung.
Ortrun Skala, „Masse ist klasse“: seit den 1960ern sind Grabsteine zu Massenprodukten geworden, die aus Asien geliefert werden. Im Friedhofsbereich sind seitdem die Steinmetze immer mehr zu bloßen Händlern geworden, statt dass sie als kreative Handwerker agieren.
Bernhard Baumgartner, „Neue Alternative: Stein“: der Friedhof der Zukunft wird als Ort gesehen, wo sich Menschen treffen, teils um sich an die Verstorbenen zu erinnern, teils auch nur, um Zeit miteinander zu verbringen. Am höchsten Punkt des Grabsteins auf dem Foto gibt es ein Mühle-Spiel. Eine Idee ist, dass die Friedhofsbesucher Spielsteine kaufen, damit spielen und die Spielsteine mit nach Hause nehmen.
Blick in den Parcours „Der Wandel des christlichen Grabmals“.
Dr. Arnold Reinthaler. Foto: privat
Die Beteiligten bei der Eröffnung bei kühlem Wetter im April 2017: (v.l.n.r.) Thomas Pilsl, Wolfgang Gollner, Norbert Kienesberger, Bernhard Baumgartner, Ernestine Lehrer, Stephan Pointner, Michael Gruber, Erich Trummer, Dr. Arnold Reinthaler und Helmut Moser. Nicht im Bild: Ortrun Skala, Raimund Fuchs, Rudi Wienerroither und Hans Paar. Man beachte den Totenschädel mit Mütze.
(06.08.2017)