Update (Februar 2011) Der Computerhersteller Apple legt seit 2007 jährlich einen Supplier Responsiblity Report vor. Damit reagiert Apple auf Kritik an den Arbeitsbedingungen bei seinen Lieferanten in Asien. Im aktuellen Bericht heißt es, dass es bei 10 Firmen in China Kinderarbeit (Personal jünger als 16 Jahre) gab.
(Februar 2011) Die technische Sicherheit eines Autos zu überprüfen ist einfach: Man schickt es alle paar Jahr in die Werkstatt, überprüft den Motor, die Bremsen und das Blech und lässt es nachher mit einem zeitlich befristeten Stempel wieder auf die Straße. Ungleich komplexer ist eine Zertifizierung, wenn es um die Arbeits- oder Umweltbedingungen bei der Produktion geht, vor allem dann, wenn das Produkt vorher durch viele Verarbeitungsschritte gegangen ist. Nehmen wir einen polierten Grabstein als Beispiel: wo sollte man zum Beispiel die Einhaltung bestimmter Standards überprüfen – im Steinbruch, in der Sägerei, in der Politur, vielleicht auch noch beim Transport über die Landstraßen?
Die niederländische Working Group on Sustainable Natural Stone, zu deutsch etwa: Arbeitsgruppe für Nachhaltigkeit bei Naturstein, mit dem aus dem Holländischen entnommenen Kürzel WGDN, beschäftigt sich mit diesem Thema. Sie will dafür sorgen, dass in der Steinindustrie in den asiatischen Lieferländern rücksichtsvoll sowohl mit den Arbeitern als auch mit der Umwelt umgegangen wird.
Derzeit hat sie in Kooperation mit Käuferfirmen aus verschiedenen europäischen Ländern Projekte in Indien und China auf die Beine gestellt. Kennzeichen ist, dass nicht den Betrieben eine Zertifizierung übergestülpt werden soll. Vielmehr will die WGDN die Produktionsbedingungen dort von innen verändern und so eine nachhaltige Verbesserung in Gang setzen wollen.
Der erste Schritt in dem Konzept ist ein „schnelles Audit“, wie Frans Papma von der Organisation sagt. In Kooperation mit Käuferfirmen besucht die WGDN dafür Produzenten oder Verarbeiter in den beiden Ländern. „Für das Unternehmen selbst kommt dabei eine Einschätzung heraus, wo es im Bezug auf unseren Verhaltenskodex steht“, so Papma.
Manche der Lieferanten, die mitunter winzige Betriebe sind, kommen hier überhaupt zum ersten Mal mit den Themen Standards am Arbeitsplatz oder Umwelt in Kontakt.
Entsprechend zurückhaltend treten die Auditoren auf, wie man aus den China-Berichten des WGDN vom vergangenen Jahr herauslesen kann. So wird zwar festgestellt, „dass es vielfach Probleme mit Arbeitssicherheit und Gesundheit gibt“. Außerdem heißt es, dass bei manchen Produzenten Überstunden ohne Sonderzahlung üblich sind, mitunter sogar 7 Tage pro Woche durchgearbeitet wird oder viele der Beschäftigten keinen Vertrag haben. Das alles widerspreche den Gesetzen, wird weiter festgestellt.
Gleichzeitig vermerkt die WGDN aber auch, dass es vielfach Bauern sind, die sich in der Steinindustrie ein Zubrot verdienen. Sie hätten mitunter gar kein Interesse an Verträgen, denn sie wollten kommen und gehen, wann es zu ihrer Landwirtschaft passt. Ähnliches gelte für Wanderarbeiter, die ohnehin zum Beispiel Rentenansprüche nicht mitnehmen könnten.
Für Kinderarbeit gab es übrigens nirgendwo Anzeichen.
Festgestellt wird in den Berichten gleichzeitig, dass der Verdienst in der Steinindustrie generell gut ist, handelt es sich doch um schwere Arbeit. Als Ausweg aus dem Dilemma zwischen einerseits guter Bezahlung und andererseits nicht hinnehmbaren Umständen wird der Einsatz von modernerer Technik empfohlen, der auch mehr Personal für eine dauerhafte Beschäftigung interessieren könnte.
Als erster Schritt der Veränderung soll nach dem WGDN-Konzept in einem Betrieb ein Beauftragter für Sozialfragen eingesetzt werden. Dieser würde auf Missstände hinweisen und den Prozess in Gang halten.
In Indien wurden solche Beauftragte bereits geschult und in 6 Firmen eingesetzt. In China gibt es am 24. und 25. Februar dieses Jahres das erste Training für 12 Kandidaten aus 10 Firmen.
Ausdrücklich sollen die Beauftragten aus der jeweiligen Belegschaft kommen. Das spart Reisekosten und garantiert, dass sie die wirklichen Bedingungen vor Ort kennen. Allerdings sind Konflikte mit dem Chef vorprogrammiert.
„Eine Erkenntnis aus Indien ist, dass wir die Beauftragten begleiten müssen“, resümiert Frans Papma, „wenn sie sich selbst überlassen bleiben, passiert nicht viel.“ Eine Maßnahme sind regelmäßige Treffen, bei der sich die Leute aus verschiedenen Firmen austauschen können. Als flankierende Hilfestellung schreibt Papma derzeit ein Handbuch, das gleichermaßen den Beauftragten hilft wie auch den Käuferfirmen in Europa einen Überblick über das Verfahren gibt.
Schließlich: Erst wenn das Unternehmen einen bestimmten Stand erreicht hat, kann es sich dem Zertifizierungsprozess unterziehen. Dann wird sich der Kreis der Beteiligten geöffnet und es reisen externe Evaluatoren an, die über die Siegelvergabe entscheiden.
„Es können nicht alle Veränderungen über Nacht realisiert werden“, heißt es nüchtern an einer Stelle der Berichte, die man auf der WGDN-Website nachlesen kann.
Die WGDN kooperiert eng mit ähnlichen Organisationen aus Großbritannien und Skandinavien. Mit den Initiativen in Deutschland ist man in Kontakt. Dort bemüht sich derzeit eine Regierungsstelle für Entwicklungshilfe (GIZ), die verschiedenen europäischen Aktivitäten zu harmonisieren.
Working Group on Sustainable Natural Stone (WerkGroep Duurzame Natuursteen, WGDN)
Frans Papma (Mail)