Unglaublich, aber wahr: auf einmal scheinen die antiken Helden Zeitgenossen aus dem Straßencafé zu sein
Die Skulpturen der Antike aus weißem Marmor erscheinen uns gleichzeitig entrückt und doch so nah – sie stehen einerseits auf den Podien der großen Kunst in den wichtigsten Museen, und andererseits begegnen wir ihnen überall außerhalb der ehrwürdigen Hallen in banalen Zusammenhängen wie auf Postkarten oder T-Shirts. Der französische Künstler Léo Caillard holt sie nun so nahe heran, dass man sich geradezu erschrickt: auf seinen Fotos aus dem Louvre hat er sie mit modischer Sportswear und aktuellen Sonnenbrillen angezogen, und plötzlich hat der Betrachter es mit Leuten zu tun, an denen er gerade im Straßencafé vorbeigegangen sein könnte.
Sofort fängt das Denken im Kopf an, und man kann viele Fragen stellen zu unserer Kultur, zur Geschichte, zu Moden oder zur Massenproduktion. Auf jede Antwort aber kommt gleich wieder ein neuer Gedanke und die nächste Frage um die Ecke.
In einem Video sagt Léo Caillard: „Mir war aufgefallen, dass die Besucher im Louvre genauso aussehen wie die Skulpturen, die sie betrachten.“
Darauf, so erzählt er weiter, habe er die Genehmigung des Museums eingeholt und die erhabene Kunst einem Seitenwechsel unterzogen.
Weit reicht er mit seiner Erklärung, warum seine Arbeiten in Ausstellungen so viel Erfolg haben: „In unseren unsicheren Zeiten suchen die Leute nach Schönheit, und deshalb gibt es eine Hinwendung zur Antike.“ Gleich postuliert er eine neue Renaissance.
Wie dem auch sei. Die verblüffende Wirkung der Fotografien resultiert jedenfalls auch aus der ungeheuren Präzision, mit der er arbeitet.
Meist lässt er Schauspieler in modernem Outfit die Position des Originals einnehmen oder aber er zieht den Gipsabgüssen aus dem Museum die moderne Kleidung über.
Die Fotos davon – die richtige Beleuchtung hat hier eine zentrale Rolle – werden auf Aufnahmen der Originale übertragen und mit digitaler Bearbeitung perfekt gemacht.
„Hipsters in Stone“ nannte Caillard zwei seiner Kollektionen, in denen er die quasi göttlichen Figuren der Antike vom Thron stieß und in die Gegenwart katapultierte.
Umgekehrt hat er auch schon Ikonen der Gegenwart auf die Podeste der Vergangenheit gesetzt, so in der Kollektion „Superheroes in Stone“. Da findet man zum Beispiel Spiderman auf einen Herrschersockel im Louvre montiert und zwischen die dort wirklich stehenden Kunstwerke platziert.
Gleich kommt der Betrachter ans Grübeln, was nun eigentlich noch Wirklichkeit sein kann, wenn die virtuellen Figuren aus den Filmen wie Realitäten ins Museum eingepasst werden.
(18.08.2017)