Der Streit geht um die lokale Tourismusabgabe, die der ortsansässige Bildhauer Jürgen Waxweiler nicht zahlen will
In dem kleinen Tourismusort Traben-Trarbach im idyllischen Tal der Mosel ging es vor einigen Wochen um eines der großen Themen der Welt: sind Kunst und Kultur nur eine Form von Konsum und Kommerz oder vielleicht doch mehr? Inzwischen hat der in dem Ort ansässige Steinbildhauer Jürgen Waxweiler unter großem Interesse der lokalen Zeitungen und des Fernsehens den Konflikt beendet und seine 14-Tonnen-Skulptur von einem Aussichtspunkt über dem Städtchen wegschaffen lassen.
Der Grund ist der Tourismusbeitrag, den die Verwaltung von ihm fordert und den er nicht bezahlen will.
Diesen Tourismusbeitrag verlangt Traben-Trarbach von allen, die im Zusammenhang mit dem Tourimus ihr Geld verdienen. Denn die Stadt muss von einer sehr hohen Schuldenlast herunterkommen. Auch anderswo gibt es den Tourismusbeitrag.
Allerdings hat Traben-Trarbach zu besonders drastischen Maßnahmen gegriffen: den Beitrag bezahlen sollen alle, die irgendwie von den Gästen profitieren – also nicht nur die Hotellerie und die Gastronomie, sondern zum Beispiel auch die Handwerker, die ihrerseits Aufträge im Zusammenhang mit dem Reisegeschäft bekommen, und schließlich auch Waxweiler. Bei dem nämlich kämen die Gäste auch vorbei, so der Stadtbürgermeister in einem der Fernsehberichte.
Der Beitrag ist nach dem Jahresumsatz der Betroffenen gestaffelt.
Waxweiler sieht die Dinge anders, natürlich: er sei es doch, der mit seiner Kunst den Tourismus fördere, denn er unterhalte zum Beispiel in dem Ort einen Skulpturengarten und eine Ausstellung, wo er auf Deutsch, Englisch und Französisch den Gästen kostenlose Führungen anbiete.
Und seine 14-Tonnen-Skulptur in den Weinbergen sei ebenfalls eine Attraktion für die Gäste, fügt er hinzu. Fazit: er leiste ohnehin seinen Beitrag zum Tourismus und folglich wolle er dafür nicht auch noch zahlen, so wird er in den Medienberichten zitiert.
Die Skulptur im Weinberg mit dem Titel „Vier Versuche über das Sehen“ hatte er vor 12 Jahren aus lokalem Sandstein geschaffen und als kostenlose Dauerleihgabe aufgestellt. Sie besteht aus 4 Köpfen, die übers Moseltal schauen, darunter einen mit einem dritten Auge in der Stirn. Köpfe in vielen Vartiationen sind ein Hauptthema von Waxweiler.
Der Streit hat inzwischen zu einem für beide Seiten unerfreulichen Ergebnis geführt. Denn Waxweiler hat schließlich in das langjährige Begehren eines Sammlers eingewilligt und ihm das Werk verkauft. Anfang Juni 2021 war Abtransport. Das Werk ist nun auf einem Gelände in Düsseldorf-Meerbusch von der Straße aus zu sehen.
Eine kleine Landposse, also, aber aus Anlass der Corona-Pandemie Gelegenheit, einmal über den Stellenwert von Kunst und Kutur im Alltag nachzudenken.
Ein Beispiel: ist die Arbeit von Schauspielern oder Musikern abends auf der Bühne dasselbe wie die Arbeit von Bürgern morgens im Büro oder im Geschäft, nämlich nichts als das Verdienen des Lebensunterhalts?
Oder: Geht das Tun der Künstler über das Tätigsein von Angestellten und Unternehmern hinaus, weil sie mit ihrer Kunst den Gästen etwas geben wollen, was über den Alltag hinausgeht und was nicht nur für den Moment gedacht ist?
Fotos: Jürgen Waxweiler
(22.06.2021)