In einem Fingerhut voll Meeresschlamm finden sich etwa 120 Millionen Exemplare der Bakteriengruppe der Woeseiales
Marine Sedimente bedecken mehr als zwei Drittel der Oberfläche unseres Planeten und es sind keineswegs tote Lebensräume. Dort leben Bakterien und sie sind für ihre Ernährung fast ganz auf das angewiesen, was in Form von Überresten von Organismen aus den oberen Wasserschichten in die Tiefsee rieselt. Je nachdem, wie sie dieses Material verarbeiten, verbleibt es für lange Zeit in den Tiefen des Meeres oder wandert als Kohlendioxid wieder zurück zur Oberfläche. Dadurch spielen die Bakterien der Meeresböden auch eine bedeutende Rolle beispielsweise für den weltweiten Kohlenstoffkreislauf.
Das Forschungsteam um Christina Bienhold und Katy Hoffmann vom Bremer Max-Planck-Institut, sowie Pierre Offre, der mittlerweile am NIOZ auf der Insel Texel tätig ist, hat nun eine besonders vorherrschende Mikrobengruppe identifiziert und charakterisiert. „Zwar sind diese Bakterien schon länger in der Literatur bekannt“, berichtet Bienhold. „Aber niemand schenkte ihnen bisher größere Aufmerksamkeit.“
Während das Team die Rolle dieser Gruppe in der Tiefsee untersuchte, beschäftigten sich andere Forschende am Bremer Max-Planck-Institut mit ihrer Bedeutung in Küstensedimenten. „Und erst jetzt wird klar, wie zahlreich und weit verbreitet die Woeseiales sind“, so Bienhold weiter. Beeindruckende 40 Millionen Zellen leben pro Milliliter Tiefseeboden – gemeinsam mit einer Milliarde anderer Bakterien.
In einem Fingerhut voll Meeresschlamm finden sich demnach etwa 120 Millionen Exemplare der nun beschriebenen Bakteriengruppe. „Uns ist bisher keine andere Bakteriengruppe bekannt, die mit einer so hohen Anzahl von Zellen im Meeresboden vorkommt.“
In ihrer Studie stellen die Autorinnen und Autoren das bisherige Wissen über die Diversität und Verbreitung dieser Bakterien dar. „Unsere Analysen zeigen, dass die Gruppe Woeseiales eine Vielzahl von Organismen mit unterschiedlichen Lebensweisen umfasst“, erklärt Pierre Offre, Leitautor der Studie. „Zum Beispiel leben im gleichen Stück Meeresboden verschiedene Arten von Woeseiales und erfüllen vermutlich verschiedene ökologische Funktionen für den Lebensraum.“
Die nun vorliegenden Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass die Woeseiales sogenanntes proteinöses Material als Nahrung nutzen könnten, beispielsweise Reste von Zellwänden und Membranen oder andere Überreste abgestorbener Lebewesen. Proteine sind eine wichtige Quelle von Stickstoff – einem grundlegenden Nährstoff für alle Lebensformen – in marinen Sedimenten. Falls die Woeseiales-Bakterien diese Proteine tatsächlich abbauen können, wäre das ökologisch bedeutsam für die Verfügbarkeit von Stickstoff im Ökosystem Meeresboden. „Ich bin überzeugt davon, dass uns weitere Untersuchungen dieser Bakterien neue Einblicke in die Kohlenstoff- und Stickstoffkreisläufe in marinen Sedimenten ermöglichen werden“, schließt Offre, der auch mit seiner Arbeitsgruppe am NIOZ den ökologischen Erfolg dieser Mikroorganismen weiter erforscht.
Publikation im ISME Journal
Quelle: Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen
(28.03.2020)