Peters Corner: was es für die Branche bedeutet, dass die Firma Polycor mit über 50 Steinbrüchen und 20 Fabriken in Kanada, den USA und Frankreich zu einem der großen Fische im Natursteingeschäft geworden ist

Peter Becker, Chefredakteur von Stone-Ideas.com.

Im Februar 2023 hat der kanadische Branchenriese Polycor angekündigt, dass er die französische Größe Rocamat kaufen will. Beide Firmen sind seit einiger Zeit in Teilen miteinander verbunden, und nun steht die vollständige Übernahme an. Die Gelegenheit ist günstig, mögliche Auswirkungen auf die Branche aufzuzeigen. Denn Polycor ist keines der üblichen Familienunternehmen, sondern wurde von Investoren gegründet. Und bekannt ist: ab einer bestimmten Größe kann ein Unternehmen die Preise kontrollieren und so die Mitbewerber an die Wand drücken.

Jedoch gibt es keinen Hinweis, dass das bei Polycor zu befürchten ist. Deshalb vorab das Positive.

Für die Branche in Frankreich hofft Claude Gargi vom Magazin Pierre Actual auf erfreuliche Auswirkungen. Der Grund ist nicht, das man quasi gemeinsame Gene hat, denn Polycor hat in der französischsprachigen Provinz Québec seinen Hauptsitz. Vielmehr hofft der Chefredakteur und tiefe Kenner der Seelenzustände von Frankreichs Steinfirmen, dass der neue Super-Player die anderen Spieler auf dem Platz mitreißen wird. Gargi sagt deutlich, das er von Polycor-CEO Patrick Perus erwartet, dass der gegenüber der schier übermächtigen Konkurrenz von Keramik und Kunststeinen wie ein Löwe brüllen wird und so die kleinen Steinfirmen aus der Deckung herauskommen lässt.

In seinem Editorial (Ausgabe März 2023) sieht Gargi für Frankreichs Steinbrüche übrigens generell einen Trend zu Firmenzusammenschlüssen, den er mit dem doppeldeutigen Wortspiel „Die Branche konzentriert sich“ überscheibt. Er verweist auf zwei weitere Fälle aus den Jahren 2022 und 2012, wo sich Brüche zusammengetan haben und fortan entweder unter einer alten Marke oder unter einem neuen Namen mit regionalem Bezug weitermachen.

Von dem neuen Riesen im Land erhofft sich Gargi, dass die Branche die „grünen“ Stärken ihres Materials noch besser dem Verbraucher präsentieren kann. Polycor hatte in diesem Zusammenhang schon 2021 angekündigt, dass seine Produktion 2025 klimaneutral sein soll.

Logo der Firma Polycor.

Das bringt uns zur weltweiten Lage der Natursteinbranche, die so günstig ist wie nie, und Polycor-Chef Chef Perus hat vermutlich die Debatten um den Klimawandel schon vor rund 10 Jahren ernst genommen und darin eine riesige Chance für Naturstein als Baumaterial erkannt.

Man kann das nachverfolgen, wenn man auf der Webpage der Firma die Rubrik „News“ nach unten durchblättert: seit 2015 folgen im Abstand teils von nur wenigen Monaten ständig neue Meldungen zum Kauf von Steinbrüchen und verarbeitenden Betrieben in Kanada und den USA. Es handelt sich vor allem um Produktionsstätten für Kalksteine und Granite, aber auch Marmor und Quarzit sind dabei.

Auf der Webpage heißt es zur Unternehmensgeschichte: „Gegründet 1987 in Québec City, beschäftigt die Firma derzeit beinahe 1350 Mitarbeiter in seinen über 50 Steinbrüchen und 20 Fabriken.“ Von der Größe her also ist Polycor also eine der wenigen Branchenfirmen weltweit, die die Marke von 1000 Mitarbeitern überspringen. Der Screenshot zeigt die aktuellen Standorte:

Der Screenshot der Webpage zeigt die aktuellen Standorte von Polycor.

Bei solcher Größe müssen wir aber auch den Blick auf die möglichen Schattenseiten. Denn der Kapitalismus bringt es mit sich, dass die Big Fish gerne die Kleinen um sich herum fressen. Dies etwa dadurch, dass sie ihre Materialien zu Dumping-Preisen anbieten.

Jedoch sind die generellen Aussichten auch für die kleineren Fische in der Steinbranche gar nicht schlecht. Nicht nur, dass die Nachfrage nach Stein anhaltend gut ist: sogar während der Pandemie haben die privaten Verbraucher Stein als sichere Investition angesehen und damit ihre Häuser und Wohnungen aufgewertet – und angesichts der derzeitigen Inflation im Westen scheinen sie weiter so zu denken. Wohlgemerkt: wir reden hier von der privaten Nachfrage.

Zudem: Die kleinen Fische sind alles Familienunternehmen und damit können sie sich beim Verbraucher besonderes Vertrauen erwerben: da es auf einer Baustelle immer zu Schwierigkeiten kommt, ist es für den Architekten und den Auftraggeber erfreulich, wenn er es mit nur einem Unternehmen zu tun hat, das vom Steinbruch über die Verarbeitung bis – vielleicht noch – zur Installation alle Schritte in einer Hand hält.

Das heißt: der Fall Polycor lehrt uns auch, dass die Schmalbrüstigkeit der Kleinen eine ihrer Stärken sein kann. Gerade weil sie Manufakturen und nicht Industriebetriebe sind, sind sie für den Verbraucher besonders interessant.

Pierre Actual (#1024, März 2023), Editorial auf französisch

Polycor

(22.05.2023)