„In alten Materialien steckt viel graue Energie, und daneben auch viel Geschichte“, sagt Architekt Martin Bruhin über seine Modernisierung der Scheune des Schlosses Wildegg in der Schweiz

SuperHink-Hauptpreis in der Kategorie Architektur: Restaurierung der Scheune des Schlosses Wildegg.SuperHink-Hauptpreis in der Kategorie Architektur: Restaurierung der Scheune des Schlosses Wildegg.

Das Museum Aargau im Norden der Schweiz will an verschiedenen Standorten Geschichte erlebbar machen. Es umfasst 4 Schlösser, 2 Klöster und weitere Einreichungen. In einem dieser Schlösser gab es nun eine außergewöhnliche Restaurierung: die Scheune im Schloss Wildegg, malerisch auf einem Bergkegel gelegen, sollte als moderner Veranstaltungsort hergerichtet werden. Sie stammt aus dem Jahr 1661 und zählt zu den historischen Bauten der Schweiz mit nationaler Bedeutung.

Die Aufgabe übernahm das Architekturbüro Bruhin Spiess, das sich gerne mit solchen Herausforderungen befasst. Eine der Vorgaben bei dem Projekt war, dass alle Veränderungen reversibel sein mussten.

Die Scheune liegt direkt neben dem barocken Schlossgebäude und beherbergte ehemals die Schlafkammern für die Bauern des fürstlichen Hofes und Stallungen für das Vieh. Es war ein schmuckloser Raum und dunkel, da es in den Wänden nur winzige Fenster gibt.

Schloss Wildegg.

Ziel der Architekten war, diesen Gesamteindruck zu erhalten, gleichzeitig aber den Raum eine attraktive Note für heutige Veranstaltungen zu geben.

Martin Bruhin verfolgte dabei die Idee des Weiterbauens, anstelle der Wiederherstellung eines nostalgischen Zustands. Will heißen: er wollte das Gebäude für die zeitgemäße Nutzung herrichten, aber gleichzeitig den alten Charakter bewahren, und daneben auch noch die CO2-Freisetzung durch die Baumaßnahme möglichst gering zu halten.

Restaurierung der Scheune des Schlosses Wildegg.

An Fußboden der Halle hatte er Gelegenheit, das zu praktizieren. Der Boden besteht neu aus Platten des Mäginwiler Muschelkalks mit vielen unterschiedlichen Formaten ohne Wiederholung und einheitlich 6 cm dicke.

Der Architekt formuliert es so: „In alten Materialien steckt viel graue Energie, und daneben auch viel Geschichte.“

Grundsätzlich wurde die Schräge des Bodens beibehalten, da sie dem Verlauf des Felsplateaus untendrunter folgt. Das war zuvor durch Probegrabungen ermittelt worden.

Einige der Platten mussten durch neue Steine aus einem nahen Steinbruch ersetzt werden.
Bruhin resümiert: „Wichtig waren uns rechteckige Formate, keine Kreuzfugen und nur maximal Fugen über 3 Plattenbegegnungen. Es ist eine Art ,römischer Verband‘, allerdings mit 154 verschiedenen Formaten.“ Maximal 300 kg wiegt die einzelne Platte.

Der Boden wurde um 18 cm erhöht, so dass dort Dämmung und Heizungsschlangen sowie Leitungen für eine induktive Höranlage verlegt werden konnten.

Für die Arbeiten in Holz, etwa die neue Akustik-Deckenverkleidung, wurden Nadelhölzer in Anlehnung an die darüber eungebauten Bodenriemen verbaut.

Restaurierung der Scheune des Schlosses Wildegg.

Eine besondere Lösung war für die Zugänge nötig. Denn die alten Türen gehen nach innen auf, was bedeutet, dass nach Feuerschutzgründen sich eigentlich nur 20 Personen sich in dem Raum aufhalten dürften. Martin Bruhin entschied sich für Windfänge aus Holz und Glas innen vor den Türen.

Damit können, wenn der Raum genutzt wird, die Außentüren als Fluchtwege offenbleiben, ohne dass Veranstaltungslärm nach draußen dringt oder Wärme verloren geht.

Restaurierung der Scheune des Schlosses Wildegg.Den Hauptpreis in der Kategorie Architektur gewann das Büro Bruhin Spiess: (v.l.n.r.) Robin Lüscher, Seraina Bruhin-Spiess, Martin Bruhin.

Von nun an dürfen sich dort 200 Personen aufhalten. Die Empore, ehemals Heuboden, ist über eine neue Treppe zu erreichen und mit einem höheren Geländer als vorher versehen.

Unter dieser Treppe ist auch die Küche für das Catering zu erreichen. Ein Prachtstück ist die alte Bohlenständerwand unter der Empore, ebenso wie die Pfeiler, die die Decke tragen.

Die Treppe von der Empore zum Dachboden wurde aus Feuerschutzgründen komplett entfernt.

Neu ist auch die Beleuchtung. Die meisten technischen Eingriffe sind aber unsichtbar. Zum Beispiel wurden die Elektroinstallationen und Konvektoren für die Lüftung in die hölzernen Sitzbänke integriert. Die Heizung liegt im Boden, wie gesagt. Eingebaut wurde auch eine moderne Museumstechnik inklusive Akustikmaßnahmen an der Decke.

Ein neuer Kalkputz ersetzt den vorherigen Zementputz. Er trägt wesentlich zum historischen Erscheinungsbild der Scheune bei.

Die Art und Weise, wie der Architekt mit dem steinernen Fußboden umging, wurde mit einem der SuperHink-Hauptpreise des Jahres 2023 ausgezeichnet. Mit dem Preis zeichnet der Verband Pro Naturstein Projekte aus, die sich durch eine herausragende Gestaltung mit Stein auszeichnen. Der Name bezieht sich auf die Hinkelsteine, die aus den Comics mit Asterix und Obelix bekannt sind. Das Preisgeld betrug 2500 Schweizer Franken.

Bruhin Spiess (deutsch)

SuperHink (deutsch)

Museum Aargau (deutsch)

Fotos: Jürg Zimmermann, Zürich

(12.07.2023)