(November 2008) Eine der Berufsgruppen, die am Bau viel Arbeit findet, sind – die Rechtsanwälte. Denn wenn es Streit gibt, werden sie in Aktion versetzt, und Streit gibt es am Bau ständig.
Darauf müssen sich die weltweiten Steinbruchbesitzer und Händler einstellen, wenn sie an Export in die Europäische Union und die EFTA-Länder, also praktisch ganz Europa, denken. Denn dort gilt seit einiger Zeit die Vorschrift, dass Baumaterialien das CE-Zeichen tragen müssen.
Darum haben sich zwar bisher nur wenige Importeure wirklich gekümmert. Es aber wird sich spätestens dann blitzartig ändern, wenn zum ersten Mal die Rechtsanwälte sich mit dem Thema beschäftigt haben: Wenn es nämlich zum nächsten größeren Streit auf einer Baustelle kommt – und dazu wird es kommen, wie gesagt – werden die Rechtsanwälte nachprüfen, ob der dort verwendete Naturstein auch das CE-Zeichen trug. Ist das nicht der Fall, kann die Sache für den Importeur und dessen Lieferanten sehr teuer werden.
Zauberwort Vergleichbarkeit
Zunächst einmal generell: das CE-Zeichen weist nach, dass ein Naturstein den europäischen Normen entspricht. Das CE steht für Conformité Européenne, also „Übereinstimmung mit den EU-Richtlinien“. Die Europäischen Normen, EN im Kürzel, verlangen, dass der Lieferant bestimmte technische Angaben zu seinen Steinen macht, etwa zu Rohdichte oder Wasseraufnahme. Daneben, und das ist neu, fordern sie Angaben über die Region, aus der das Material stammt.
Außerdem ist der wissenschaftliche Name des Steins zu nennen, nicht nur der Handelsname. Zum Beispiel: Schiefer. Das klingt einfach, aber genau darum gibt es schon heftigen Streit. Dazu später mehr.
Weitere Angaben betreffen die Abmessungen des Materials, die Oberflächenbearbeitung und sein Aussehen.
Wohlgemerkt: die Normen und das CE-Zeichen betreffen nicht einzelne Steinsorten, sondern Produkte, für die Steine verwendet werden, etwa als Platten für Fußbodenplatten. Dass hier verlangt wird, diese Produkte exakter zu beschreiben, gilt sowohl für Produzenten und Händler innerhalb der Europäischen Union als auch für Lieferanten von außerhalb.
Drei Zielsetzungen hat es: zum einen soll es dem Verbraucher leichter machen, die Baustoffe miteinander zu vergleichen und sich dann für denjenigen zu entscheiden, der sich für seinen Zweck am besten eignet.
Zum anderen sollen an die Stelle der vielen nationalen Vorschriften in Europa einheitliche Bestimmungen treten, so dass ein Markt entsteht, in dem der Warenverkehr von unnötigen Behinderungen befreit ist.
Schließlich geht es auch darum, etwas gegen die vielen und teils sogar falschen Phantasienamen zu tun, mit denen die Produzenten ihre Steine auf den Markt bringen.
Vergleichbarkeit herzustellen, ist also das Ziel der Normen. Das CE-Zeichen gibt dem Ganzen sozusagen noch das Gesicht, indem es dann an dem Steinprodukt angebracht werden darf, wenn er den einzelnen Normen entspricht.
Damit aber nun nicht neue Kontrollstellen innerhalb der EU oder an den Importhäfen eingerichtet werden müssen, ist die Vergabe des Zeichens ganz auf die Lieferantenseite übertragen: der Importeur hat dafür zu sorgen, dass der Produzent die CE-Prüfungen erfüllt hat. Oder der Importeur muss sie selber machen.
Erster Schritt: Erstprüfung
Das Verfahren geht folgendermaßen vor sich: Der erste Schritt ist die so genannte Erstprüfung, die in einem Labor oder in einer entsprechenden Stelle zu erfolgen hat. Sie ermittelt für den Stein die üblichen technischen Angaben. Was exakt zu ermitteln ist und mit welchen Methoden das Labor das zu tun hat, wird in den Normen festgelegt. Entspricht der Stein den geforderten Werten, darf der Produzent das CE-Zeichen an der Ware anbringen. Ein Teil der Normen ist unten aufgelistet; suchen kann man über eine Site.
Ob bei der Erstprüfung durch den Produzenten auch alles mit rechten Dingen zugegangen ist, muss der Importeur überprüfen. Dabei hilft ihm die so genannte Konformitätserklärung: In ihr bestätigt der Produzent, dass er die Untersuchungen von einem seriösen Labor hat durchführen lassen. Diese Erklärung ist rechtsverbindlich! Im Fall, dass sich Importeur und Hersteller nicht gut kennen, wird sich der Importeur die Prüfungsberichte vorlegen lassen.
Davon abweichende Regelungen gelten für Rohblocks und Rohplatten. Auch für Materialien, mit denen Decken verkleidet werden, gelten Sondervorschriften (siehe unten).
Allerdings: Jedermann weiß, dass Naturstein ein inhomogenes Material ist und dass sich die Gesteinseigenschaften auf kurzer Strecke im Steinbruch stark ändern können. Wie geht das CE-Zeichen damit um?
Kontinuierliche Überwachung im Werk
Die Lösung, die die EU-Experten hier gefunden haben, ist, dass es neben der (einmaligen) Erstprüfung auch eine kontinuierliche Überwachung der Produktion geben muss. Das heißt: regelmäßig ist zu testen, ob eine Charge noch dieselben Werte erreicht wie bei der Erstprüfung. Mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen sind die technischen Angaben.
Sollte sich hier zeigen, dass die Qualität eines aktuell getesteten Materials signifikant abweicht, muss die komplette Erstprüfung mit allen Untersuchungen neu vorgenommen werden. Was unter signifikant zu verstehen ist, wird nicht näher definiert; laut Expertenmeinung handelt es sich um eine Abweichung um zehn Prozent.
Auch wenn einige der Normen schon ein paar Jahre in Kraft sind, wurde bislang wenig Aufhebens darum gemacht. Streit gab es im Fall von Schiefer, und zwar zwischen Spanien und Brasilien. Es ging darum, ob die Gesteinsvarietät aus Brasilien sich als Schiefer bezeichnen darf, auch wenn sie nicht der exakten petrografischen Definition entspricht.
Die Darstellung der brasilianischen Seite, die als pdf auf Portugiesisch heruntergeladen werden kann, mündete schon in der Vorwurf der Südamerikaner, die EU wollte Handelsbeschränkungen errichten und würde dafür ihre Definitionsmacht einsetzen.
Allerdings: auch die europäischen Hersteller und Händler haben schon über das CE-Zeichen geschimpft. Denn da Angaben zur Herkunftsregion des Steins nun Pflicht sind, muss nun manches Material, das ehemals als einheimisch verkauft wurde, mit der wirklichen Herkunft versehen und sozusagen ausgebürgert werden.
In einer anderen Frage muss man noch abwarten, ob es hier zu Streit kommt. Denn möglich ist, dass das CE-Zeichen im Konkurrenzkampf der Hersteller und Händler untereinander eingesetzt wird. Die Rechtslage ist: Wenn ein Händler mit Waren ohne CE-Zeichen handelt und trotz behördlicher Aufforderung nicht für die Kennzeichnung sorgt, kann das zu einer Ordnungsstrafe von 50 000 € führen. Zudem müssen die Produkte vom Markt genommen werden.
Für den Architekten und Bauherrn ist das CE-Zeichen hilfreich, gibt es ihm doch die Möglichkeit, die unübersichtliche Vielfalt der Natursteine besser zu überblicken.
Für die Hersteller bringt es zunächst zusätzliche Kosten, auf längere Sicht aber auch den Vorteil, den gesamten europäischen Markt beliefern zu können und nicht in jedem Land andere Bestimmungen beachten zu müssen.
Fälschungen in Sachen CE-Zeichen hat es auch schon gegeben, dies allerdings bei anderen Produkten als Naturstein. Produktpiraten aus China hatten die beiden Halbkreise des Zeichens minimal verändert, ihnen aber einen ganz neuen Inhalt angedichtet: CE stand hier nur noch blumig für „China Export“.
Kurze Anmerkungen:
* An Rohblöcken und Rohplatten (poliert oder nciht) braucht kein CE-Zeichen angebracht werden – allerdings ist es dem Lieferanten erlaubt, freiwillig eine Konformitätserklärung abzugeben.
* Wenn Rohplatten jedoch etwa zu Wandfliesen oder Treppenstufen weiterverabeitet werden, müssen sie ein CE-Zeichen tragen. Diese Besonderheit bezüglich der Umarbeitung von Steinmaterialien gilt auch für Produkte, die vor der Umarbeitung bereits ein CE-Zeichen getragen haben.
* Ohne CE-Zeichen dürfen Arbeitsplatten für Küche oder Bad in den Handel gebracht werden, ebenso Fensterbänke.
* Besondere Regelungen gelten für Steine für die Restauration.
Sonderfall Materialien für Decken: Während es etwa für Fußbodenplatten keine Vorschriften gibt, welche Art von Labor die Erstprüfung durchzuführen hat, ist dies bei Verkleidungen für Decken anders geregelt: hier dürfen nur Labore mit staatlicher Registrierung beauftragt werden.
Normen für Natursteinprodukte:
EN 1469 Platten für Verkleidungen
EN 12057 Fliesen
EN 12058 Bodenplatten und Beläge für Stufen flooring
EN 12059 Steine für Massivarbeiten
EN 1341 Platten für Verwendung außen
EN 1342 Pflastersteine für Verwendung außen
EN 1343 Bordsteine für Verwendung außen
EN 771-6 Mauersteine
EN 1467 für Rohblöcke
EN 1468 Für Rohplatten
Die Schiefernorm EN 12326 (Schiefer und Stein für Wand- und Dachabdeckungen) weicht insofern etwas von den vorgenannten Normen ab, als sie sich nicht auf ein Produkt egal aus welchem Gestein, sondern allein auf Schiefer bezieht.
Vorschriften für die Gestaltung des CE-Zeichens