(Mai 2012) Zum ersten Mal bekam ein Architekt aus China den Pritzker Preis: Wang Shu wird am 25. Mai in Peking für seine Ideen zu den Städten der Zukunft ausgezeichnet. Bei seinen Konzepten geht es nicht um Futurismus, sondern um eine menschengerechte Gestaltung des Lebensraums unter Bewahrung von Kultur und Geschichte.
Um eine Zahl zu nennen, was in Sachen Städtebau aktuell in China passiert: Im Jahr 2030 wird das Land wenigstens 220 Städte mit einer Millionen-Bevölkerung haben (in ganz Europa gibt es 35), und die meisten davon werden derzeit auf der grünen Wiese geplant. „2030 werden eine Milliarde Chinesen Stadtbewohner sein und viele von ihnen werden in den neuen Städten leben“, heißt es in Zeitung China Daily. Das Land ist sozusagen das Spielfeld für die Zukunft, und die Planer dort haben die Chance, die Probleme der heutigen Ballungsräume wie zum Beispiel Verkehrskollaps oder Umweltverserschmutzung von vornherein zu vermeiden.
Der 48-jährige Wang Shu hebt sich mit seinen Bauten deutlich von dem ab, was der Bauboom in China in den letzten Jahrzehnt hervorgebracht hat. Zum Beispiel sein Stil: Viele seiner Gebäude tragen unverkennbar chinesische Stilelemente wie die geschwungenen Dächer.
Auch will er in einem neuen Gebäude die Geschichte des Ortes lebendig halten und so fühlbar machen, dass dort auch vorher schon Menschen gelebt haben. Dafür recycelt er Abrissmaterialien wie Natur- oder Backsteine und Dachziegel.
Außerdem ist für ihn „Architektur ein Werk in Zusammenarbeit“. Das drückt sich dadurch aus, dass er mit den Bauleuten einen „kreativen Dialog“ anstrebt, bei dem auch der Architekt bezügliches des Bauens vor Ort dazulernt.
Solche Konzepte entwickelt er zusammen mit seiner Ehefrau Lu Wenyu im gemeinsamen Büro Amateur Architecture Studio. Hier entstanden auch die Pläne für die Academy of Arts in Hangzhou: Ein kompletter Campus war zu gestalten, angefangen von Hörsälen über Verwaltungsgebäude bis hin den Häusern mit den Gemeinschaftswohnungen der Studenten beziehungsweise den Wohnungen der Professoren. Wie es in Berichten heißt, schätzen die Bewohner die Anlage sehr, da sie ihnen Raum zum Leben und Inspiration zum Arbeiten gibt.
Ungewöhnlich für ein Wohnhochhaus sind die Vertical Courtyard Apartments (Apartments mit vertikalen Höfen) in Hangzhou.
Der Pritzker Preis wird gerne als Nobelpreis der Architektur bezeichnet. Er wird von der Hyatt Foundation jährlich vergeben und mit 100.000 US-Dollar dotiert.
Apropos Städtebau in China: Es gibt auch Stimmen, die darin einen künstlich inszenierten Boom sehen, mit dem die chinesische Regierung die gewünschten Wachstumsraten erreichen will (Video).