(Juni 2012) Eine tragende Rolle kommt dem Naturstein wieder zu bei dem Bauwerk, das kürzlich mit dem Titel „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ ausgezeichnet wurde: es handelt sich um die König-Ludwig-Brücke in Kempten, eine frühe Eisenbahnüberführung über die Iller und ein wichtiges Denkmal der Baugeschichte. Denn bei ihr ist die Unterkonstruktion für die Schienen ein Gitterwerk aus Holz, das seinerseits auf 25 m hohen Natursteinpfeilern ruht. Vergeben wird der Preis von der Bundesingenieurkammer.
Bemerkenswert an den Bauwerk ist zum einen, dass es seit der Inbetriebnahme im Jahr 1852 erhalten geblieben ist. Zum anderen handelt es sich um eines der ersten Bauwerke in Deutschland, dessen Konstruktion nicht nach Ausprobieren sondern anhand von theoretischen Überlegungen gefunden wurde.
Die Brücke ist nahezu im Originalzustand erhalten und wird von Fußgängern und Radfahrern genutzt.
Im letzen Jahr hatte die Bundesingenieurkammer ein anderes historisches Brückenbauwerk mit dem Titel versehen. Es handelt sich um die Fleischbrücke in Nürnberg, errichtet zwischen 1596 und 1598 in Sandstein und der Rialtobrücke in Venedig nachempfunden. Baumeister war Jakob Wolff der Ältere.
„Nachdem die Vorgängerbrücke einem verheerenden Hochwasser zum Opfer fiel, wurde die neue Brücke ohne Mittelpfeiler errichtet, was gegen Ende des 16. Jahrhunderts als technische Meisterleistung galt“, heißt es in der Pressemitteilung der Kammer. „Mächtige eiserne Queranker verspannen das Bauwerk, das auf über 2.100 Rammpfählen gründet.
Ihren guten Zustand verdankt die Fleischbrücke einer grundlegenden, 900.000 Euro kostenden Sanierung in den Jahren 2004 und 2005. Dabei mussten vor allem die Fehler früherer Reparaturen beseitigt werden. Die tiefen Risse, die in den 1920er Jahren zur Verlegung von Rohren in das Sandsteinmauerwerk geschlagen worden waren, drohten das Bauwerk zum Einsturz zu bringen. Im Zuge der Diskussionen um die autogerechte Stadt stand kurzeitig auch ein Abriss und als Ersatz eine breitere Betonbrücke zur Diskussion.
Nicht zuletzt durch die Proteste der ‚Nürnberger Altstadtfreunde’ wurden solche Überlegungen schnell verworfen und die Brücke wurde 1974 in ihrem weitgehenden Originalzustand unter Denkmalschutz gestellt.
Die Fleischbrücke ist eine einfeldrige Natursteinbogenbrücke. Der flache Bogen, den sie schlägt, besitzt eine Spannweite von 27 m. Die Pfeilhöhe beträgt 4,20 m, die Stärke im Scheitel 1,35 m. Auf 2.123 Holzpfählen ist sie gegründet, davon mussten 400 Pfähle zur Aufnahme des Bogens schräg gesetzt werden – eine innovative Konstruktion, die sämtliche vergleichbare Bauten im deutschsprachigen Raum weit übertraf.
Um die großen Horizontalkräfte aufzunehmen, benötigte der flache Brückenbogen massive gemauerte Widerlager. Bogen und Widerlager wurden aus keilförmig behauenen Keuper-Sandsteinen gebaut und mit Luftkalkmörtel hohen Bindemittelgehaltes vermauert. Der schräg geschnittene Brückenkörper weitet sich zu den Widerlagern hin auf. Der eigentliche Brückenbogen wurde im Sommer 1598 in der Rekordzeit von nur neun Wochen errichtet.“
Fotos: Bundesingenieurkammer