Aufmerksamkeit ist eines der knappen Güter in der Informationsgesellschaft. Deshalb prägt ein permanenter Remmidemmi unseren Alltag, oft mit hohen Phon-Zahlen oder mit einer visuellen Reizüberflutung. Das aber öffnet Produkten auch den entgegengesetzten Weg, um sich herauszuheben: indem sie gerade nicht mit viel Geblinke ins Auge springen, sondern dann, wenn der Blick sie einmal erfasst hat, ihn aufgrund ihrer gefälligen Form nicht mehr loslassen.
Wir reden von Design oder Formgebung, und damit zeichnet sich die Marsotto Edizioni aus. Sie wurde vor einigen Jahren von dem mehr als 150 Jahre alten Familienbetrieb Marsotto ins Leben gerufen und hat Alltagsprodukte aus Naturstein als Thema. Im April zeigte sie auf der Internationalen Möbelmesse in Mailand ihre neuesten Produkte.
Um Tische ging es diesmal, wie üblich aus matt poliertem Carrara Marmor gefertigt. Bei dieser Oberflächengestaltung handelt es sich um ein Mittelding zwischen geschliffen und poliert. Wie üblich waren verschiedene Designer zur Mitwirkung eingeladen. Die Leitlinie der Gestaltung lag ebenfalls wie üblich bei James Irvine als Art Director und dem Unternehmerehepaar Costanza Olfi und Mario Marsotto.
„Lino“ nannte Irvine seinen eigenen Esstisch, den es mit Platten in vier Größen gibt (280 x 110 cm; 240 x 100 cm; 200 x 90; 140 x 140 cm). Die Höhe beträgt hier wie auch bei den anderen Kreationen 72 cm.
Wir wollen nicht nur auf die Details der Formgebung hinweisen …
… sondern den – natürlich ebenfalls unaufgeregten – Leserblick auch auf die technischen Fragen lenken.
Einen Esstisch mit denselben Maßen gestaltete Naoto Fukasawa mit seinem „King Poodle“.
Für eine runde Tischplatte entschied sich Jasper Morrison mit „Pondicherry“. Drei Größen gibt es für die Platte: Durchmesser 150, 130, 110 cm. Die Dicke beträgt 3 cm. Bei den anderen Kreationen gibt es auch Platten von 4 beziehungsweise 5 cm, wobei jedoch durch bestimmte Maßnahmen das Gewicht reduziert ist.
Ein anderes Kennzeichen der Marsotto Edizioni ist Unaufgeregtheit, anders ausgedrückt: das Design soll sich der Kurzlebigkeit der Gegenwart entgegenstellen, auf dass die Gegenstände vielleicht von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Dabei lassen Irvine und das Unternehmerehepaar gleichwohl Experimente zu. Etwa im Fall von David Chipperfield mit seinem Modulsystem „Colonnade“: aus 2 Teilen lässt sich eine beliebig lange Tafel zusammenstellen, wobei das asymmetrische Element, nun ja, sehr ungewöhnlich ist. Bei 98 cm Breite hat es 116,5 cm Länge und wiegt 135 kg. Das Mittelteil misst 98 x 150 cm und wiegt 160 kg.
Schließlich „Topkapi“ von Konstantin Grcic. Hier erscheinen die Tischbeine wie schnell zusammengestellt und ist die Platte wie fix drübergelegt, als kämen gleich die Maler, um ihre Tapeten einzukleistern.
Der Blick auf die Details zeigt eine der technischen Fragen, auf die der Designer eine Antwort zu finden hatte.
Fotos: Miro Zagnoli
(Juli 2012)