Stone Stories: Entertainment statt trockener Geologie

(November 2012) „Wir wollten Stein so vielfältig erlebbar machen, wie nur möglich“, umreißt Hilke Domsch vom Geokompetenzzentrum Freiberg das Konzept. Sie war federführend daran beteiligt, dass die Ortschaft Demitz-Thumitz in Sachsen sich heute als „Granitdorf“ bezeichnen kann. Drei Jahre lief ein Projekt, gefördert vom Land Sachsen, von der Europäischen Union und natürlich unter starker Beteiligung der Gemeinde auf halbem Weg zwischen Dresden und Bautzen. Nun muss das Vorhaben auf eigenen Beinen stehen.

Entstanden ist zum Beispiel die Granitroute, die weit mehr ist als einer der üblichen geologischen Lehrpfade oder Skulpturenwege.

Nach Hilke Domschs Konzept soll man hier den Stein mit allen Sinnen erleben: So gibt es ein Xylophon mit Klangsteinen zum Anschlagen, einen mächtigen Quader mit einem Loch zum Hineinschreien, Fühlsteine mit unterschiedlichen Oberflächen oder eine Sonnenuhr, die nur funktioniert, wenn ein Besucher sich als Zeiger hineinstellt.

Richtig zur Sache gehen kann der Besucher an den Blöcken aus Granit und Sandstein, die nebeneinander liegen: Mit Hammer und Meißel erlebt er schnell, wie unglaublich hart der Granit ist.

Ein bisschen wie Jahrmarkt ist das mannshohe Foto aus einem Steinbruch vor knapp 120 Jahren: der Besucher kann sich zur Gruppe der Steinarbeiter dazustellen, als wäre er ehemals dabei gewesen.

Auch an ein wiedererkennbares Erscheinungsbild der Granitroute wurde gedacht: steinerne Säulen dienen als Beschilderung entlang des Weges. Übrigens: Die Informationen sind auf Deutsch und Englisch sowie Polnisch und Tschechisch verfasst. Schließlich sind die Nachbarländer nicht weit entfernt.

Eigentlich ist die Geschichte von Demitz-Thumitz als Ort des Granitabbaus reichlich kurios. Denn sie geht keineswegs über Jahrhunderte zurück wie etwa in Carrara bis zu den Römern. In Demitz-Thumitz begann alles mit der Eisenbahn vor rund 150 Jahren: Damals erstellte man für die Verbindung Dresden-Görlitz einen mächtigen Viadukt über das Tal mit der Ortschaft, und als man dessen ersten Pfeiler mit Elbsandstein fertig hatte, stellte sich heraus, dass es direkt nebenan ebenfalls ein geeignetes Material gab, nämlich den Granit vom Klosterberg.

So führt heute einer der Routen über diesen mächtigen Hügel. Sie steuert den noch aktiven Schotterbruch der Basalt AG an und führt zu zahlreichen ehemaligen Abbaustätten mit steilen Wänden. Diese Klosterbergroute ist zwar schon zu begehen, aber noch nicht fertiggestellt. Denn über dem Gelände liegt Bergrecht, und das macht Haftungsfragen bei Unfällen zu einem heiklen Thema.

Fertiggestellt ist der Steinbrecherweg. Bei ihm handelt es sich um einen schmalen Pfad durch Feld und Wald, auf dem früher die Menschen aus den umliegenden Dörfern zur Arbeit in den Brüchen gingen. An einer Stelle kommt man mit Trittsteinen über ein Rinnsal mit dem schönen Namen Silberwasser.

Fertiggestellt sind auch das Ausstellungsgelände mit der alten Feldbahn, eine Schau von Mustergräbern auf dem Friedhof und Naturstein-Bänke als Designideen für Stadtmöbel.

Am Großen Bruchblick hat man eine prächtige Aussicht über den ehemaligen Abbau und auf das Betriebsgelände von heute. Direkt nebenan befindet sich eine Kantine aus der alten Zeit. Leider verfällt das Gebäude seit einem Brand. Auch um den Bahnhof der Ortschaft, immerhin die erste Anlaufstelle für viele Besucher, ist es nicht gut bestellt.

In das Projekt einbezogen war auch die Steinmetzschule im Ort. Sie brachte die Azubi-Kollegen aus Wunsiedel ins Projekt, die das Denkmal des Steinarbeiters anfertigten. Die Balustrade zeigt Natursteinsorten von woanders in Deutschland.

Unter den künftigen Vorhaben spielt das Museum Alte Schleiferei eine zentrale Rolle: es beherbergt unter anderem eine funktionstüchtige Steinsäge. Die Fertigstellung ist für 2013 geplant. Es wird einbezogen sein in das Projekt „Wege zu Glas und Granit“, das in Zusammenarbeit mit dem Ort Piechowice realisiert wird. Das nahe gelegene Dorf in Polen war ehemals ein Zentrum der Glasherstellung.

Schließlich gibt es in der näheren Umgebung zahlreiche Rittergüter, die noch in einem Dornröschenschlaf liegen.

Zahlreiche weitere Initiativen der vergangenen 3 Jahre, etwa eine Präsentation von Designideen mit Granit, ein Wettbewerb der Dorfbewohner zu Ideen um den Naturstein, eine Winterakademie für Steinmetzen und Interessierte oder ein Weihnachtsabend im Klosterbruch werden im Abschlussbericht über die 3 Projektjahre näher beschrieben. Ende Oktober wurde eine Dauerausstellung zur Integration von Kunst und Naturstein fertiggestellt.

Fast hätten wir den vielleicht wichtigsten Aspekt des Erlebens mit allen Sinnen vergessen: Gemeinsam mit der Görlitzer Landskron-Brauerei ist ein Bier kreiert worden, „Steinmetzbräu“ geheißen.

Anmerkung zum Schluss: Die Firma Lausitzer Granit gewinnt noch Naturstein auf dem Gelände, das man vom Großen Bruchblick aus sieht. Aus ihrem Material besteht zum Beispiel der Brunnen von David Chipperfield neben der Nikolaikirche in Leipzig. Er ist ein gewaltiger Topf randvoll mit Wasser – taucht der Besucher die Hand hinein, läuft es über. Das soll an die Montagsdemonstrationen von 1989 erinnern, die an dieser Kirche ihren Anfang nahmen und die DDR-Regierung friedlich hinwegfegten.

Granitdorf

Geokompetenzzentrum Freiberg e.V.

Landskron Brauerei

Lausitzer Granit

Fotos: Hilke Domsch