„Touch Me“ (Berühr’ mich) ruft der Naturstein

Gezeigt wurde auf der Möbelmesse in Mailand (Salone del Mobile, 08.-13. April 2014) auch der „Moon Table“, den Zaha Hadid entworfen und den die italienische Firma Citco aus einem mächtigen Marmorblock herausgeschnitten hatte.

Zaha Hadid für Citco: „Moon Table“, Marmor Bianco Carrara. Foto: Franco Chimenti

Was uns interessiert, ist die emotionale Komponente des Kunstwerks: Auffallend war, dass alle, wirklich alle Besucher das Stück anfassten, ihre Hände darüber gleiten ließen und dies vor allem mit ihren Handflächen taten, nicht nur mit den Fingerspitzen.

Zaha Hadid für Citco: „Moon Table“, Marmor Bianco Carrara. Fotos: Peter Becker

Könnte die Steinbranche das Phänomen vielleicht für neuartige Produkte nutzen ?

Zunächst zur Klärung des Phänomens ein Rückgriff auf die alten Mythen: in der Antike gibt es die Geschichte um den üblen Riesen Antaeus, mit dem Herakles kämpfen muss. Antaeus ist nicht zu besiegen, denn solange er auch nur einen Fuß auf der Erde hat, fließt ihm von seiner Mutter, der Erdgöttin Gaia, neue Kraft zu.

Esoterisch ausgedrückt, hat unser Drang, den Stein anzufassen, damit zu tun, dass wir um die Energie wissen, die das Material uns geben kann.

So einfach sind die Dinge allerdings nicht, denn beliebte Objekte zum Anfassen sind genauso auch Kotflügel von schicken Sportwagen.

Der Grund ist, dass solche Autos sexy sind.

Vielleicht also ist es so, dass das Anfassen von Stein Gefühle in uns weckt, eindeutig positive. Manche Leute benutzen schließlich Schmeichelsteine. Das sind Kiesel, die man mit den Fingern umschließt und die zum Abreagieren dienen.

Wenn nun das Anfassen der Steine uns ein emotionales Erlebnis gibt, und wenn das für Produkte genutzt werden soll, muss man zunächst einmal prüfen, was Alltagssituationen sind, in den Emotionen eine Rolle spielen.

Zaha Hadid für Citco: „Moon Table“, Marmor Bianco Carrara. Fotos: Peter Becker

Zum Beispiel im Wartezimmer beim Zahnarzt. Das Warten dort ist zumindest unerfreulich, für manchen hochgradig angstbesetzt.

Könnte man für diese Situation vielleicht einen Stuhl entwickeln mit einer Lehne aus einem schönen Stein, auf den der Wartende seine Hand legen kann? Die Gefühlsbotschaft beim Anfassen wäre: Keine Angst, es wird schon nicht zu schlimm werden…

Zaha Hadid für Citco: „Moon Table“, Marmor Bianco Carrara. Fotos: Peter Becker

Oder im Hotel. Könnten Innenarchitekten im Zimmer, dort wo man die Schuhe abstreift und die Business-Jacke aufhängt, einen Steinstreifen von der Decke bis zum Boden ziehen, der einlädt, sich mit der Hand für einen Moment daran anzulehnen? Die Gefühlsbotschaft wäre: Okay, das hier ist zwar nicht Dein zuhause, aber zumindest für den Moment bist Du angekommen…

Oder auf dem Friedhof. Würde es Sinn machen, den Grabstein nicht an den entferntesten Punkt des Grabes aufzustellen, sondern genau dort, wo der Trauernde steht? Auf dass er sich vielleicht darauf abstützen oder darauf setzen und dabei mit beiden Händen den Stein befühlen möge? Der Stein würde gewissermaßen teilnehmend sprechen: Nun ja, aber es wird schon alles wieder gut…

Zaha Hadids „Moon table“ auf der Möbelmesse jedenfalls war schon nach kurzer Zeit so sehr angegriffen, dass man es dem ursprünglich strahlend weißen Marmor Bianco Carrara ansah.

Bei einer Installation in Madrid im Jahr 2008 hatte der Künstler Evaristo Belotti die Besucher barfuß durch Wasserpfützen auf einem Marmorboden spazieren lassen. Foto: Federación Espanhola de la Piedra (25.05.2014)