Urzeitliche Lavaströme formten die riesigen Canyons und Schluchtensysteme auf dem Mars. Wasser dagegen war auf dem Roten Planeten viel zu selten, um diese gigantischen Täler in die Landschaft zu graben. Das ist das Ergebnis einer mehrjährigen Studie von ETH-Erdwissenschaftler Giovanni Leone.
Schon im 19. Jahrhundert beschrieb sie ein italienischer Astronom als „Canali“: in der Äquatorregion des Mars ist ein auffälliges netzartiges System tiefer Schluchten gut zu erkennen, das als Labyrinthus Noctis bekannt ist. Dieses mündet in einen weiteren gigantischen Canyon, die Valles Marineris. Er misst 4000 km, ist 200 km breit und 7 km tief.
Weil diese Schluchten aus dem Orbit betrachtet irdischen Canyons gleichen, die von Wasser geschaffen wurden, ging die Mehrheit der Forschenden davon aus, dass es einst auch auf dem Mars gewaltige Flüsse waren, die das Labyrinthus Noctis und das Valles Marineris in Oberfläche hineinfraßen. Als weitere Möglichkeit wurden tektonische Vorgänge mit der Folge eines Grabenbruchs angenommen.
Weit gefehlt, sagt nun Giovanni Leone, ein Spezialist für Vulkanismus auf Planeten, der in der Arbeitsgruppe von ETH-Professor Paul Tackley am Institut für Geophysik arbeitet. Einzig Lavaflüsse hätten die Kraft und die Masse gehabt, diese gewaltigen Schluchten in die Marsoberfläche einzugraben. Die Studie wurde im Journal of Volcanology and Geothermal Research veröffentlicht.
Leone hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Strukturen dieser Canyons und ihrer Ausflüsse in das Ares Valles und die Chryse planitia, eine riesige Tiefebene in der Nordhemisphäre des Mars‘, befasst. Er analysierte tausende von hochauflösenden Oberflächenaufnahmen, die von mehreren Marssonden gemacht wurden und auf mehreren Bilddatenbanken des US Geological Surveys zugänglich sind, darunter die jüngsten von Mars Reconnaissance Orbiter.
Sein Fazit zu den Fotos ist klar: „Alles, was ich darauf erkannte, waren Strukturen von Lava, wie wir sie von der Erde her kennen“, betont er, „die typischen Anzeichen von durch Wasser verursachter Erosion konnte ich auf keinem der Bilder sehen.“ Wasser als endgültige bildende Kraft schließt Leone zwar nicht gänzlich aus. Spuren davon – etwa Salzablagerungen an Orten, wo Wasser aus dem Boden verdunstete, oder Erosionsspuren auf den Schuttfächern der Erdrutsche – habe er allerdings nur sehr selten gefunden.
Das Quellgebiet der Lavaströme ortete Leone in der Vulkanregion Tharsis. Von dort ziehen sich Lavatunnels bis zum Anfang des Labyrinthus Noctis. Ließ der Druck einer Eruption nach, stürzten die Tunneldecken teilweise ein.
Leones Studie könnte weitreichende Konsequenzen haben. „Nimmt man an, dass Lava das Labyrinthus Noctis und das Valles Marineris bildete, dann gab es auf dem Mars wohl immer viel weniger Wasser, als die Forschungsgemeinde angenommen hat“, sagt er. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auf dem Mars Leben gegeben habe oder gibt, würde dadurch ebenfalls viel kleiner.
Mit seiner Studie schwimmt der Italiener gegen den Strom, stößt womöglich ein Dogma um.
Leone G.: A network of lava tubes as the origin of Labyrinthus Noctis and Valles Marineris on Mars. Journal of Volcanology and Geothermal Research, 277 (2014).
Quelle: ETH Zürich
(01.07.2014)