Fangen wir mit dem positiven Urteil an: das neue Konzept der Marmomacc, nämlich verstärkt marktfähige Produktideen für Marmor & Co zu fördern, muss man loben. In den vergangenen Jahren war es bei Marmomacc Meets Design eher um anschauliche Ideen und Spielereien mit dem Material gegangen, und meist war dabei bestenfalls Kunst herausgekommen.
Das neue Konzept hatte seinen Schauplatz erstmals an herausragendem Ort auf dem Messegelände, nämlich in Halle 1, und war insofern als Alleinstellungsmerkmal der Marmomacc nicht mehr zu übersehen.
Zu loben ist auch die Idee, in Halle 12 mit der Installation „La Casa di Pietra“ (Gumdesign, Friul Mosaic) ein Pendant zur Halle 1 zu schaffen, also gewissermaßen einen Bogen der Kreativität vom Anfang bis zum Ende der Marmomacc zu schlagen. Leider war dieser rote Faden nicht erkennbar gestaltet.
Erfreulich entwickelten sich auch die Zahlen. 1502 Aussteller aus 58 Ländern verzeichnete diese 49. Marmomacc. 65.000 Fachbesucher aus 143 Ländern kamen von 24.-27. September 2014 auf das Messegelände in Verona, das ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 15 %. Die Top-10-Liste der Herkunftsländer ausländischer Gäste hatte Indien auf dem ersten Platz, gefolgt von Deutschland, der Türkei, Spanien, Frankreich, China, USA, Brasilien, Russland und Ägypten.
Negativ hingegen fällt unser Urteil im Bezug auf die Messe Abitare Il Tempo aus, die diesmal in die Marmomacc integriert war. Ihr Misserfolg rührt nicht nur daher, dass sie seit Jahren krankt, sondern geht auch auf die Tatsache zurück, dass eine Möbelmesse nicht viel mit einer Steinmesse zu tun hat. Stein lässt sich allenfalls in kleinen Stücken in Möbel integrieren – die Idee der massiven Badewannen oder massiven Tische aus Stein war schon im Rahmen von Marmomacc Meets Design hinreichend durchdekliniert worden.
Leider scheiterte auch der Versuch, dem Thema Architektur mit Naturstein neue Impulse zu geben. Zu diesem Zweck war das Projekt „Living Stone“ ins Leben gerufen worden: 4 namhafte Architekten aus Spanien beziehungsweise Portugal sollten sich Gedanken über die Verwendung von Naturstein am Bau machen. Der thematische Rahmen war „Häuser mit Innenhöfen“, wie es in Presseinformationen heißt. Die Kuratoren Raffaello Galiotto, Vincenzo Pavan und Damiano Steccanella hatten dabei das Bauen rund ums Mittelmeer im Blick.
Die Architekten gingen jedoch eigene Wege, und wieder war es Kunst – freundlich formuliert.
Benedetta Tagliabue ließ für ihre Installation „Geflochtener Marmor“ die Firma Decormarmi Platten verschiedener Sorten Marmor so bearbeiten, dass diese wie Bambusmatten aussahen. Das gab zwar eine sehenswerte Steinwand und der Halle 1 den Blickfang. Jedoch muss man die Frage stellen, ob die Steinbranche wirklich andere Materialien nachbilden muss. Das macht die Keramikbranche nämlich schon zur Genüge und gar nicht mal schlecht.
Josep Miàs hatte sich für sein „INTRĀ“ von den Stadtmöbeln der Firma Travertino Sant’Andrea inspirieren lassen. Er stellte einen Steinbruch nach und deutete die Leerstellen der Produkte im Fels an.
Manuel Aires Mateus hatte seine Installation „Gedanken über das Patio-Haus“ betitelt. Ausgangspunkt war eine Ruine auf dem Land; dieses Ensemble hatte er mitsamt künstlichem Rasen auf die Messe geholt. Beachtlich war immerhin die Leistung der Firma Grassi Pietre beim Transport und der Aufstellung der sehr großen Teile.
Pritzker-Preisträger Eduardo Souto de Moura hatte mit „Massive Wand/Flüchtige Wand“ ein Portal in die Höhe gezogen und dahinter Zelttuch aufgespannt. Wie es in den Presseunterlagen heißt, wollte er damit Bezug nehmen auf die großen Architekten Aldo Rossi und Robert Venturi und ihr Nachdenken über Dualität. Die ausführende Firma war Pibamarmi, die wenigstens an ihrem Stand unter Beweis stellten konnte, dass sie mehr kann als Quader aus dünnem Stein aufzuschichten.
Die Belanglosigkeit dieser Architekten-Kunst wurde allerdings wettgemacht durch die gelungene Gestaltung der Halle 1 mit einem Gärtchen in der Mitte (Patio!) und einer Arena für Vorträge. Wieder einmal war zu lernen: Stein, ins rechte Licht gerückt, ist einfach ein schönes Material.
Weitere Arbeiten aus Halle 1 zeigen wir unten beziehungsweise in separaten Texten.
Trotz unserer Kritik: der eingeschlagene Weg der Marmomacc ist richtig, die Startschwierigkeiten lassen sich überwinden. Denn es gilt der Satz: die Natursteinbranche braucht neue Produkte, nicht neue Kunstwerke und übrigens auch nicht neue Steine.
Marmomacc 2015, 30. September – 03. Oktober