Architektur: Wolkenkratzer wie ein Sedimentgestein

(Januar 2010) Dass Naturstein als Baustoff verwendet wird, ist permanent unser Thema. Dass er jedoch genauso Inspiration für ein Gebäude aus anderen Materialien sein kann, hatten wir noch nicht behandelt.

Der Aqua Tower in Chikago ist zwar wie ein Hochhaus ganz klassisch aus Stahl, Beton und Glas errichtet. Seine außergewöhnlichen Balkone aber sind Kalksteinablagerungen nachempfunden, wie sie rund um die Großen Seen Nordamerikas häufig vorkommen.

Sie geben dem Bauwerk mit 324 Metern Höhe und über 80 Stockwerken nicht nur ein organisches, sondern auch ein geradezu bewegtes Aussehen, was wiederum zum Wind passt, der oft durch die Straßen der Millionenstadt pfeift. Und damit nicht genug: in der Fassade gibt es größere Flächen ohne Balkone, die, von Weitem betrachtet, ein wenig wie spiegelnde Wasserflächen anmuten.

Architektin war Jeanne Gang. Sie bezeichnet ihre Balkonidee als „bewohnte Fassade“: Gemeint ist damit, dass die teils weit herausragenden Balkonflächen den Wohnraum nicht nur optisch, sondern auch praktisch erweitern sollen. Bei deren Formgebung wurde die Himmelsrichtung berücksichtigt, damit es möglichst wenig Verschattung gibt. Die Mehrkosten waren erträglich: die Balkone schlugen mit 1,5% der Gesamtsumme von 325 Millionen $ zu Buche.

Ob sie allerdings wirklich wie geplant genutzt werden, muss sich zeigen – nicht jeder der Eigentümer wird wie Spiderman sein, den die schiere Tiefe hinter den niedrigen Balkongittern unbeeindruckt lassen würde.

Studio Gang Architects

The Guardian

Chicago Tribune

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Fotos: Steve Hall/Studio Gang Architects