Märkte: Marmor für den Maghreb

Von Alfredo Martini, CRESME*

(Januar 2010) In den letzten Jahren hat die Baubranche in Afrika einen regelrechten Boom erlebt: Beflügelt durch die hervoragenden Leistungen der Wirtschaft und durch groβe Infrastrukturprojekte sind die Investitionen in den letzten 8 Jahren mit einem durchschnittlichen Rhythmus von 8,5% pro Jahr gewachsen und haben einen Umsatz von 167 Milliarden € erreicht (341 € pro Kopf).

Allein 2008 betrug das Wachstum +9,4%. Das ist vergleichbar mit Ländern wie China (+12,6%) oder Indien (+14,9%). In 2009, während man in den Industrieländern einen gravierenden Rückgang bei den Investitionen beobachtete (in Europa -7,9% und in den USA -14,4%), weisen die letzten im Oktober 2009 vom Sistema Informativo Mondiale sul mercato delle Costruzioni (SIMCO) gesammelten Einschätzungen für Afrika ein deutliches Wachstum von +6% aus, während man auf weltweitem Niveau hingegen von einem Rückgang der Investitionen (-2,6%) ausgeht. SIMCO ist ein weltweites Informatiksystem über den Baumarkt, das von CRESME betrieben wird.

Für 2010 zeichnet sich nach diesen Prognosen eine Annährung an die Dynamik der vergangenen Jahre ab (+7,6%). Grund dafür sind groβe Infrastrukturprojekte, die begonnen werden, und ein stärkerer Kapitalfluss aus dem Ausland, vor allem aus Indien und China. Zum Vergleich: für das weltweite Wachstum gehen die Prognosen von +3,3% aus…

Sämtliche Länder Afrikas entlang des Mittelmeers haben in der jüngeren Vergangenheit eine außergewöhnliche Dynamik im Baubereich gezeigt, und auch mittel- und langfristig sind die Aussichten bezüglich der Investitionstätigkeit positiv. Dies gilt nicht nur für den Ingenieursbau, der von Großprojekten profitiert, sondern auch für den Bereich der privaten Wohnungen, auf den in der Region über ein Viertel der Investitionen entfällt. Für 2009 ist im privaten Wohnungsbau wieder ein beschleunigtes Wachstum zu erwarten. Vorsicht aber bei den Zahlen: Die prognostizierten +22% Steigerung sind auch darauf zurückzuführen, dass es im Jahr 2008 einen Einbruch um 14% gegeben hatte…

Vor allem im Maghreb, das sind die frankophonen Länder Marokko, Algerien und Tunesien, verzeichnete die Baubranche zwischen 2007 und 2009 einen extrem lebhaften und bewegten Verlauf. Zusammen mit den hervorragenden Ergebnissen der Gesamtheit der nordafrikanischen Länder, ihren Wirtschaftsvereinbarungen und der bevorstehenden Europa-Mediterranen Freihandelszone bietet die Region große Chancen für den italienischen Bausektor und seine Zulieferer.

Dies trifft insbeondere auf die Natursteinbranche zu. Gerade im privaten Wohnungsbaubereich … liegt für sie ein erhebliches Potenzial. Die italienischen Produzenten sollten mit großer Aufmerksamkeit auf den nordafrikanischen Markt blicken, nicht nur wegen der Wachstumsprognosen im Bausektor und der Wirtschaft insgesamt, sondern auch, weil die dort schon aktiven italienischen Unternehmen die Erfolgschancen für weitere Produkte verbessern können. Das gilt insbesondere für die frankophonen Länder.

Die Exportzahlen bestätigen, dass sich die Branche bereits bewegt und das Potenzial des maghrebinischen Markts erkannt hat. Der Wert von verarbeitetem Naturstein, der von Italien in dem Maghreb exportiert wurde, ist zwischen 2001 und 2008 durchschnittlich um +17% gestiegen und hat einen Betrag von über 55 Millionen € erreicht. Die Zuwachsrate im Jahr 2008 entsprach zwar dem Durchschnitt der Vorjahre, zeigte aber ein verlangsamtes Wachstum im Vergleich zum herausragenden Ergebnis, das im Jahr 2007 verzeichnet wurde (+44% im Vergleich zu 2006). In Bezug auf die Menge war die jährliche Zuwachsrate zwischen 2001 und 2008 im Durchschnitt +13%.

Für die ersten sieben Monate des Jahres 2009 weisen die vorläufigen Zahlen des italienischen Statistikamtes Istat einen Zuwachs von +14% im Natursteinexport gegenüber dem Vorjahreszeitraum aus. Dieser Zuwachs scheint jedoch ausschließlich auf steigende Durchschnittspreise für die Produkte zurückzuführen zu sein; was die Exportmenge betrifft, war ein deutlicher Rückgang (-36%) zu verzeichnen. Dahinter könnte sich eine Nachfrageverschiebung zugunsten höherwertiger Produkte verbergen.

Für Italines Natursteinindustrie ist das Wachstumspotenzial im Afrika entlang des Mittelmeeres noch groβ. 2008 hatte die Gesamtregion nur einen Anteil von 5% am Export der italienischen Natursteinindustrie. In den Maghreb gingen gar nur 3,2% dieser Exporte… Das Vordringen auf den afrikanischen Markt ist bislang gering geblieben, was im Hinblick auf das enorme Potenzial des Kontinents überrascht: Von den knapp über 104 Millionen € Exporten nach Afrika gingen 84% in desse Norden. Lediglich ein geringer Betrag von 17 Millionen € konnte südlich der Sahara erzielt werden. Er teilte sich auf die Länder Nigeria, Südafrika, Äquatorialguinea und Senegal auf.

Zusammenfassend gesagt, stellt sich Nordafrika als ein Gebiet mit groβem sozialökonomischen Entwicklungspotenzial, mit einem groβen Markt mit über 157 Millionen Personen und einer Baubranche von über 40 Milliarden € dar. Die Baubranche wächst im Durchschnitt pro Jahr um +7%. Die italienische Natursteinindustrie, ermutigt auch durch die hervorragenden Exportrgebnisse in den vergangenen Jahren dorthin, muss mit dem Ziel einer stärkeren Differenzierung ihrer Zielländer mit groβem Interesse auf die Mittelmeerländer Afrikas blicken.

Man kann vorhersagen, dass diese Länder eine immer bedeutendere Rolle auf der Weltbühne spielen werden. In diesen Kontext fügen sich zum Beispiel die Vereinbarungen der €-mediterranen Konferenz von 1995, die die Einführung einer Freihandelszone rund ums Mittelmeer für 2010 beschloss. Wahrscheinlich wird dieser Termin zwar nicht eingehalten werden. Mit rund 40 Staaten und 600 Millionen Konsumenten wird diese Freihandelszone jedoch einmal eine der gröβten Wirtschaftsregionen der Welt darstellen.

* CRESME ist eine Non-Profit-Organisation, die seit 1962 zu Themen der Baubranche forscht.

Messe Marbre Expo, Tunis

Messe Interbuild Egypt, Kairo, 17.-21. Juni 2010

Fotos: Mazagan Beach Resort