Netzwerk Steine in der Stadt: Naturstein-Moden in Anhängigkeit von der politischen Wetterlage

Die Wände im Marmorsaal im Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci sind mit schlesischem Marmor verkleidet. Berühmt ist das Fußbodenmosaik, inzwischen restauriert. Foto aus dem Jahr 1988. Quelle: Hajotthu / Wikimedia Commons

Zuerst die schlechte Nachricht: Professor J. H. Schroeder, treibende Kraft hinter vielen Initiativen zum Naturstein, hat aus Altersgründen das Amt als Koordinator des Netzwerks Steine in der Stadt niedergelegt. Unermüdlich wie immer, hat er aber für einen Nachfolger gesorgt, in diesem Fall eine Nachfolgerin: Dr. Annette Richter vom Niedersächsischen Landesmuseum Hannover übernahm beim letzten Treffen des Netzwerks die Rolle.

Wie Schroeder in der für ihn typischen Mischung aus wissenschaftlicher Exaktheit und Selbstironie formuliert: „Sie übernahm in Potsdam am 11.04. um 13.59 dieses ,Amt’“. In der Mail folgt dann neben Exaktheit und Humor die gleichfalls für ihn typische menschliche Wärme, wenn er sich bei den Mitstreitern bedankt: insbesondere bei Dr. Angelika Ehling und Dr. Gerda Schirrmeister sowie den über 30 Organisatoren der Tagungen, den Exkursionsführern beim Tag der Steine in der Stadt und bei den über 50 Autoren der Veröffentlichungen des Netzwerks.

Steine in der Stadt ist ein lockerer Zusammenschluss von Wissenschaftlern und begeisterten Laien, deren Herz für Naturstein schlägt. Das Netzwerk organisiert regelmäßige Zusammenkünfte mit einem ausgefeilten Programm an Vorträgen und Exkursion.

Die jüngste Arbeitstagung, die zehnte, fand vom 09.-12. April 2015 in Potsdam statt und leitet uns über zur guten Nachricht: die Zusammenkunft verzeichnete wieder einmal mehr als 50 Teilnehmer.

Klar, das an einem Ort wie Potsdam eine Betrachtung der Natursteine auch eine Betrachtung der deutschen Geschichte ist. T. Bolze arbeitete in seinem Vortrag unter anderem den Zusammenhang von Steinverwendung und politischer Wetterlage heraus: waren bis zum Siebenjährigen Krieg Sandsteine aus Sachsen die bevorzugten Baumaterialien in Berlin und Potsdam gewesen, verbot Friedrich II. (der Große) im Konflikt mit dem Konkurrenten aus Dresden dessen Steine und propagierte Material zum Beispiel aus der Gegend um Magdeburg, das damals preußisch war.

Nach dem Sieg im Siebenjährigen Krieg startete er in Schlesien eine Bestandsaufnahme der Bodenschätze und ließ Sandsteine und auch Marmor von dort heranschaffen. Jedoch war zunächst der Transport zu teuer, so dass es nur zu einer sporadischen Verwendung in Potsdam kam.

Mit der Eisenbahn änderte sich das jedoch vom letzten Drittel des 19. Jahrhunderts an. „Es waren die Königlichen Hofsteinmetzmeister Zeidler und Wimmel (seit 1920 als gemeinsame Firma Zeidler & Wimmel) und Schilling, die, die Vorzüge dieser Sandsteine erkennend, ab 1872 die größten Steinbrüche in Schlesien erwarben“, heißt es in einem zusammenfassenden pdf von der Arbeitstagung.

Per Schiene kam fortan auch Fränkischer Muschelkalk oder Mainsandstein nach Berlin und Potsdam. Sehr beliebt war für eine Weile der Savonnières-Kalkstein aus Frankreich.

Zu DDR-Zeiten lieferte der VEB Elbenaturstein Dresden wieder Sächsische Sandsteine, Saalburger Marmor, Theumaer Fruchtschiefer, Oberdorlaer Muschelkalk oder Langensalzaer Travertin, um nur einige der einheimischen Sorten zu nennen. „Für besondere Vorhaben konnten auch Natursteine aus dem ,sozialistischen Ausland’ bezogen werden“, heißt es in dem pdf weiter: „Für den auf Grund des Devisenmangels … nicht beschaffbaren Carrara-Marmor wurde Mar¬mor aus dem Berg Sivec bei Prilep im ehemaligen Jugoslawien (heute Mazedonien) verwendet. Der nicht mehr im Abbau stehende Kauffunger Marmor wurde durch Marmor aus Sljudjanka in Sibirien ersetzt.“

Weitere Vortragsthemen waren:
* „Erfassung von historischen Naturwerksteinbrüchen in Bayern“ (K. Poschlod): Eine Datenbank soll künftig Denkmalpflegern und Restauratoren bei der Recherche helfen, ob ein Gestein noch abbaubar wäre und unter welchen Bedingungen. Im Vorfeld wurde beispielhaft schon der Regensburger Grünsandstein un¬tersucht, der für die Ausbesserung der Steinernen Brücke in Regens¬burg benötigt wird. Dabei fand man ein Areal nördlich des einstigen Steinbruchs Ihrlerstein, in dem mehrere 1000 m³ hervorragenden Sandsteins anstehen.

* „Historische Bauern-, Bürger-, Amts- und Kirchengebäude im Bay¬reuther Umland – ein schützenswertes Kulturgut Oberfrankens unter dem Aspekt der Naturwerksteine“ (A. Peterek): Schon im dem 16. Jahrhundert vollzog sich im Bayreuther Umland der Übergang von der Holz- zur Steinbauweise. Wichtige Faktoren dabei waren nicht nur die in der Nähe reichlich zur Verfü¬gung stehenden Sandsteine, sondern vor allem auch die frühen Bestimmungen zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder.

* „Savonnières, Morley & Co. – Barrois-Oolithe
als Modegesteine des späten 19. Jahrhunderts in deutschen Städten“ (Lehrberger, G., von Plehwe-Leisen, E.): Das schönste Beispiel für die gemeinsame Verwendung der beiden Sorten ist die große Zentralhalle des Neuen Rathauses in Hannover, wo der Morley-Stein für die tragenden Bauteile und der Savonnières-Oolith für die Flächenfüllungen verwendet wurde. Beispiele auf Friedhöfen: Melaten in Köln, Hauptfriedhof Mainz sowie die alten Friedhöfe in München und Dresden.

* „Die „steinbunte Stadt“ Chemnitz – ein bisher noch wenig beachtetes Alleinstellungsmerkmal“ (Jentsch, F.)

* „Die Geologische Wand in Berlin-Blankenfelde“ (Ehling, A.)

* „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule – das Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ (Braun, S.)

* Spindler, E. J.: Steine in der Stadt Burghausen

* Roth, C.: Der Wunsiedler Marmor in Vergangenheit und Gegenwart

* Kaplan, U.: Natur- und Dekorsteine in der Baugeschichte von Paderborn und Umgebung

* Schuhmacher, K.-H.: Zwischen Börde und Eifel – die rheinisch-maasländischen Naturwerksteine Aachens

Die Poster zur Arbeitstagung behandelten die Themen:
* Dubelaar, W.: Der Nero Portoro (,Portor’) im Laufe der Zeit

* Häfner, F. & Lang, R.: Rheinland-Pfalz als Partnerland des Netzwerkes Steine in der Stadt in Berlin – Ausstellung in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz, In den Ministergärten, 20.-31.10.2014

* Müller-Huber, E. & Börner, F.: Rüdersdorfer Kalkstein – Eine petrophysikalische Betrachtung

pdf der Arbeitstagung mit Kurzfassung der Vorträge und mit Exkursionen

Netzwerk Steine In der Stadt

Abschließend noch eine erfreuliche Meldung: Der Tag der Steine in der Stadt 2015 ist für den 17. Oktober und die umliegenden Tage geplant.

(12.05.2015)