Tiziana Scaciga, Gründerin der italienischen Firma Recycled Stones, erzählt von den putzigen Adelie-Pinguinen in der Antarktis, bei denen das Männchen dem Weibchen als Brautgeschenk ein Steinchen überreicht. „Es dient dem Nestbau und hat deshalb für die Tiere einen besonderen Wert“, sagt sie. Aus der Sicht von ihrer Firma, die sich mit der Verwendung von Reststücken aus der Natursteinverarbeitung beschäftigt, ist demnach die Frage: Wie kann man dem Abfall einen neuen Wert geben?
Design spielt die zentrale Rolle bei der Neu-Bewertung der Ausgangsmaterialien. Das Studio Ghigos Ideas ist deshalb der Partner bei der Gestaltung der Produkte.
Das fängt an mit Nicht-Gestaltung wie im Fall des Frühstücksbrettchens ganz oben: hier wurde die Form der kleinen Steinplatten so belassen wie sie ist, lediglich ist ihre Oberfläche poliert.
Wichtig bei allen diesen Stücken ist das Spiel mit den Formen des Ausgangsmaterials: Unbefangenheit im Design erlaubt unerwartete Möglichkeiten, wie sie nur ein Reststück haben kann.
Überraschendes ergibt sich auch, wenn die Designer den Spuren der Werkzeuge neue Bedeutungen geben.
Jedoch: Was ist, wenn solch eine Vase vom Tisch fällt und eine weitere Ecke abbricht?
Na und? Wenn es ohnehin nicht mehr um Unberührtheit und Makellosigkeit geht, kann jeder neue Schaden einen neuen Wert darstellen. Etwa indem er an den Tag erinnert, an dem die Vase vom Tisch gefallen war.
Alltagsgegenstände speichern damit wie Urlaubsfotos Erinnerungen. Sie bekommen eine völlig neue Qualität, die sonst nur Schmuck hat: sie können Zeugnisse des Lebens sein mit allen seinen Ereignissen, ob gut oder böse.
Hier liegt auch der besondere Wert jener Objekte, die sich zum individuellen Arrangieren anbieten. Hochtrabend formuliert: solche Stücke rufen zum täglichen Spiel mit dem Leben auf.
Weitere Markenzeichen der Produkte von Recycled Stones sind regionaler Bezug und soziale Verträglichkeit: es wird nur heimisches Material verwendet, das aus der Nähe des Firmensitzes im Val d’Ossola-Tal stammt, die Produkte werden in Handarbeit hergestellt, und, wenn möglich, beschäftigt man Benachteiligte, lässt zum Beispiel Behinderte die Produkte verpacken.
Das klingt wie aus dem Lehrbuch der Umweltbewegung. Und tatsächlich hat Tiziana Scaciga einige Jahre die Kommunikation für Non-Profit-Unternehmen gemacht.
Ihre Familie betreibt im Val d’Ossola-Tal im Piemont die Steinfirma Moro, die sich mit Inneneinrichtung mit Naturstein beschäftigt und als Markenzeichen den Begriff „Il Cuore della Pietra“ (Das Herz des Steins) gewählt hat.
Natürlich gibt es bei Recycled Stones neben dem ideologischen Unterbau auch ein handfestes Konzept fürs Marketing: die Stücke werden nur in limitierter Auflage produziert und kommen mit einem Zertifikat in den Handel.
Die eingangs geschilderten Brautgeschenke der Adelie-Pinguine tauchen bei den „Love Stones“ der Firma wieder auf: von der Präsentation auf dem Fuorisalone in Mailand konnte sich jeder Besucher ein Bruchstück mitnehmen, um es an jemand zu verschenken. Solch ein Präsent sei ein Beweis für eine „authentische und entschiedene Wahl“, hieß es in den Presseunterlagen zu der Aktion.
In einer der nächsten Ausgaben stellen wir Ergebnisse einer Kooperation von Recycled Stones mit dem Künstler Matthew Broussard vor, die ebenfalls in Mailand präsentiert wurden.
Fotos: Simone Marcolin
(23.06.2015)