Whow. 9000 m³ Naturstein werden in den Fassaden am Berliner Schloss – Humboldtforum verbaut, verteilt auf 22.500 m² Fläche, die nach dem historischen Vorbild wiederhergestellt werden. Damit ist die Baustelle in der Berliner City unmittelbar neben dem Dom vermutlich das derzeit größte Naturstein-Projekt in Europa.
Nicht nur die schiere Menge an Stein macht das Vorhaben außergewöhnlich. Auch die Bauweise der Fassaden ist gar nicht das, was heutzutage üblich ist. Außerdem kommt auch ein speziell entwickelter Kunststein zum Einsatz.
Mitte November war Halbzeit bei den Fassaden, die seit dem Richtfest im Juni 2015 kontinuierlich in die Höhe wachsen. Die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum als Bauherr hatte Mitte November 2015 die Presse zu einer Besichtigung eingeladen und Manfred Rettig, Vorstand der Stiftung, informierte über den aktuellen Stand der Dinge.
Von einem In-die-Höhe-wachsen der Fassaden kann man deshalb sprechen, weil die steinernen Fassadenteile nicht wie gemeinhin üblich an den Betonrohbau vorgehängt werden. Vielmehr wird über alle Geschosse ein 60 cm breites Klinker-Mauerwerk hochgemauert.
In dieses sind die Natursteinelemente eingemauert.
Rund 3,5 Millionen Klinker werden auf der Gesamtlänge der Fassaden von 750 m verbaut. Dahinter folgt eine Wärmedämmung und dann schließt sich der Stahlbeton des Rohbaus an.
Mit Edelstahlankern sind die Naturstein-Elemente im Beton verankert. Gewindestäbe aus Stahl gibt es auch zum Beispiel im Inneren der Säulen. Lieferant der Stahlteile war die Firma Modersohn aus Spenge bei Bielefeld. Detaillierte Schnitte durch die Klinkermauer wie der gezeigte sind auf der Webpage der Firma zu finden.
Groß ist der Aufwand für die Fassaden, um es untertrieben auszudrücken. Das gestalterische Ziel davon ist, das Bauwerk schon von außen von den vielen Shopping Malls mit vorgehängten Steinplatten zu unterscheiden. Es soll ein Eindruck von Wert- und Dauerhaftigkeit entstehen.
Die Klinkerflächen werden zum Schluss übrigens verputzt. Die Farbe wird ein Ocker-Ton sein. Früher nannten die Berliner diese Farbgebung der Hohenzollern-Bauherren „Café-au-lait“.
Bei den Natursteinarbeiten sind, grob gesagt, 2 Arten zu unterscheiden: das eine sind die sich wiederholenden Gewände und Kapitelle an den 513 Fenstern und ebenso die Trommeln für die Säulen. Das andere ist das aufwändige Dekor für die 5 Portale und weitere Sonderelemente.
Die an den Fassadenarbeiten beteiligten Naturstein-Firmen sind: Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser, Schubert Steinmetz und Steinbildhauer sowie Hofmann Naturstein in einer Arbeitsgemeinschaft mit Bamberger, außerdem F.X. Rauch sowie die Sächsischen Sandsteinwerke. Wie beim originalen Schloss handelt es sich um Material aus dem Elbsandsteingebirge und aus Schlesien (Bunzlau/Boleslawiec). Bisher verwendete Sorten sind Reinhardtsdorfer und Postaer sowie Warthauer.
Eine Schlossbauhütte mit Sitz in Berlin-Spandau hat die Modelle für die reichen Zierelemente und Figuren in der Fassade hergestellt. Viele von ihnen, etwa die in den Kapitellen über den Fenstern, tauchen mehrfach auf und werden von Robotern gefertigt.
Bei der Presseführung wurde Manfred Rettig auch gefragt, wie es um die Qualität der Natursteinarbeiten stehe. Eindeutig war seine Aussage: „In der Summe ist die Arbeit der Firmen hervorragend.“ Dass die Qualitätskontrolle immer mal wieder einzelne Stücke zurückweisen müsse, sei bei solchen Größenordnungen normal.
Dass es am Schloss – Humboldtforum überhaupt wieder die originalen Fassaden geben wird, ist auf ein beispielloses Engagement des Fördervereins Berliner Schloss um Wilhelm von Boddien zurückzuführen. Denn der Bundestag beschloss zwar den Wiederaufbau des Schlosses in den historischen Maßen. Die Finanzierung der Fassade mit Natursteindekor musste jedoch der private Verein auf seine Schultern nehmen.
Der Architekt Franco Stella hat aber nicht für alle Fassaden eine historische Wiederherstellung vorgesehen. Die Ostseite an der Spree Richtung Alexanderplatz bleibt ganz ohne Schmuck, ebenso eine Seite im Schlüterhof im Inneren des Ensembles. Dort gibt es eine Fassadenverkleidung nach moderner Art und mit einem industriellen Material. Die Firma Dreßler hat für diesen Zweck extra einen Kunststein entwickelt, der zu großen Teilen aus Sandsteinpulver besteht.
Man kann sich unschwer den Reiz vorstellen, der sich im Schlüterhof aus dem Kontrast des industriellen Materials (rechts auf dem Foto) mit dem Naturprodukt ergibt. Auf der Seite mit dem Kunststein befinden sich übrigens Einrichtungen des Museums und sind die Geschosse deshalb nur halb so hoch wie sonst im Gebäude, das für Ausstellungen genutzt wird.
Die Gesamtkosten sind mit 590 Millionen € festgelegt. Diese Summe teilt sich auf in 478 Millionen €, die der Bund aufbringt, 32 Millionen € des Landes Berlin und 80 Millionen € aus Spenden für die Fassaden. Dazu kommen noch einmal 25,5 Millionen € aus Spenden unter anderem für die Innenseiten der Portale II, II und IV und für die Innenhöfe sowie für die Portaldurchgänge.
Mitte November 2015 hatte der Förderverein gut 50 Millionen an Spenden und Sachleistungen beisammen. Manfred Rettig lobte : „Das Spendenaufkommen geht konform mit dem Baufortschritt.“
Mitte November hat der Haushaltsausschuss des Bundestag noch zusätzliches Geld locker gemacht. Es wurden 10 Millionen Euro für die Verlegung des Neptunbrunnens und 5 Millionen € für ein Dachgartenrestaurant zur Verfügung gestellt.
Übrigens 1: das ganze Projekt liegt sowohl im Kosten- als auch im Zeitrahmen.
Übrigens 2: Wie weltweit üblich, können Spender Geld für ein Natursteinelement in der Fassade geben. Damit gehen sie in die Annalen des Gebäudes ein.
Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum
Fotos: Peter Becker
Renderings: Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum / Architekt: Franco Stella mit FS HUF PG
(24.11.2015)