Auch wenn der Berg als Gefahrenzone bekannt ist, waren die Fachleute überrascht von der Stärke des aktuellen Niedergangs
Vier Millionen Kubikmeter Fels sind am 24. Oktober 2014 um 9 Uhr 30 vom Gipfelhang des Piz Cengalo im Schweizer Kanton Graubünden ins Tal gestürzt. Augenzeugen berichteten, der Fels sei regelrecht explodiert. Nach dem aktuellen Stand der Dinge werden acht Touristen vermisst.
Auf dem Talgrund angekommen wurden die Felsmassen vom Bach Bondasca als so genannter Murgang talauswärts geschoben. Das Dorf Mondo wurde nur gestreift.
Der Piz Cengalo, 3369 Meter hoch im Süden von Graubünden knapp 40 km von St. Moritz entfernt gelegen, ist als Gefahrenzone bekannt. Nach Bergstürzen im Jahr 2011 hatten die Behörden ein automatisches Murgang-Warnsystem eingerichtet. „Dieses löste am Mittwochmorgen Alarm aus, wonach die Einsatzkräfte aufgeboten wurden und aufgrund des Einsatzdispositivs ihre Arbeit aufnahmen“, heißt es auf der Webpage des Kantons.
Zu den Aufgaben der Helfer gehört unter anderem, die Bevölkerung aus den Dörfern zu holen, weil weitere Felsabstürze zu erwarten sind. Danach müssen die leeren Häuser für die Zeit der Evakuierung vor Plünderern gesichert werden.
Zu den baulichen Maßnahmen des Alarmsystems gehören Auffangbecken für Schlammlawinen.
Während des vergangenen Monats Juli waren am Piz Cengalo erhöhte Felsbewegungen festgestellt worden. Bereits vor einer Woche hatten die Behörden ein Betreten bestimmter Almen, Maiensäss genannt, verboten.
Von der Heftigkeit des aktuellen Niedergangs waren die Fachleute überrascht. Erdbebenwarten hatten den Felssturz auf Platz 3 der Richterskala gemessen – Ereignisse auf Platz 7 sind so stark, dass in großem Stil nicht-erdbebensichere Gebäude zu Bruch gehen.
Bergstürze gehören zum Leben im Gebirge. Nach den Bergstürzen am Piz Cengalo von Juli bis Dezember 2011, bei denen 2 bis 3 Millionen Bergeller Granit zu Tal gegangen waren, beschreibt eine Analyse auf der Webpage des Kantons das komplexe Wechselspiel zwischen Permafrost, Witterung, Wasser und Felshang: „Der warme, aber regnerische Sommer und der viel zu warme Herbst mit einer Nullgradgrenze auf über 3500 m haben dazu geführt, dass der oberflächliche Permafrost im Bereich von bereits zerlegten Felsbereichen auftaute. Somit kam es zum ersten Sturz im Juli und den Nachstürzen bis Oktober 2011. Infolge der Entlastung öffneten sich auch oberhalb der ersten Abbruchzone weitere Spalten entlang bereits vorhandener Trennflächen im Gebirge. In diese Spalten konnte nun im Spätherbst Wasser eindringen. Das Wasser gefror bis in größere Tiefen und verhinderte vermutlich dadurch ein Abfließen des restlichen Kluftwassers. Der hydrostatische Druck und der Eisdruck haben die Spalten im Winter weiter geöffnet und die gesamte Masse in Absturzposition gebracht.“
Kurios: auch in der Schweiz gibt es Tsunamis, wenn Felsstürze in Seen abgehen. Etliche solche Ereignisse sind historisch belegt.
(25.08.2017)