Steinleute: Ein Italiener mit Koffern voller brasilianischer Steinmuster auf Kundensuche in den USA

Guido Bissi

Auf der Fortaleza Brazil Stone Fair (FBSF) wurde Guido Bissi, eine der Berühmtheiten in Brasiliens Steinbranche, posthum geehrt

Auf der Fortaleza Brazil Stone Fair (FBSF) ist es inzwischen Tradition, dass Persönlichkeiten geehrt werden, die sich um Brasiliens Steinbranche verdient gemacht haben. Bei der 4. Ausgabe der Messe in diesem Jahr (18.-20. April 2018) war einer der Geehrten Guido Bissi, der die Branche von 1950 bis 1970 entscheidend voranbrachte. Weitere waren Ricardo Cavalcante (Direktor beim Industrieverband FIEC) und José Alci Porto Júnior (Direktor bei der SEBRAE-Ceará).

Carlos Rubens A. Alencar, Präsident des Steinverbands des Bundesstaates Ceará (in dessen Hauptstadt die Messe jährlich stattfindet) hielt die Laudatio für Guido Bissi. Wir geben sie verkürzt wieder:
 

Guido Bissi kam mit 14 Jahren aus dem italienischen Florenz nach Brasilien. Das war im Jahr 1939, als sein Vater aufgrund des Kriegsbeginns in Europa die Familie nach Südamerika brachte. Verbindungen über den Atlantik hinweg hatte es schon vorher gegeben, denn seit 1930 exportierte der Vater Platten von Carrara-Marmor nach Brasilien.

Mit dem Ende des Krieges kamen Sohn Guidos Fähigkeiten zur Blüte: eine seiner Stärken war, auf wirtschaftliche Veränderungen schnell zu reagieren. So gründete er 1951 in São Paolo eine Firma, um Naturstein für Brasiliens Bauwirtschaft zu liefern. Granimar S/A war der Name.

(Anmerkung: damals erlies die Regierung aufgrund des Außenhandelsdefizits rigorose Einfuhrbeschränkungen mit der Folge, dass die Branche plötzlich Lagerstätten im eigenen Land suchen musste; als später die großen Hotels etwa in Rio de Janeiro oder Salvador sowie die neue Hauptstadt Brasília da Bahia gebaut wurden, stieg die Nachfrage nach Marmor enorm.)

Fortaleza Brazil Stone Fair

In den 1960er Jahren erkannte Guido Bissi einen anderen Trend: um sowohl in der Quantität als auch in der Qualität richtig professionell zu werden, würde Brasiliens Steinbranche auf die internationalen Märkte gehen müssen – dies jedoch nicht mit Rohblöcken, sondern am besten mit Fertigprodukten.

Die USA identifizierte er als Markt, der am stärksten im Baugeschehen und für die Südamerikaner am leichtesten zu erreichen war.

Also ging der inzwischen 35-Jährige auf die Ochsentour durch Nordamerika, das ihm damals völlig unbekannt war und wo umgekehrt praktisch niemand ihn kannte.

Es folgt die berühmte Geschichte von seinen 45 kg Gepäck, bestehend vornehmlich aus Steinmustern und Katalogen, mit denen er durchs Land zog.

Bemerkenswert war dabei nicht nur diese Schinderei, sondern auch seine Vorgehensweise: er besuchte nicht Großhändler, sondern Architekten, Einrichter und Bauleute. Offenbar wollte er sich nicht darauf verlassen, dass die Händler seine Steine neben ihren bisherigen Materialien platzieren würden, und sprach lieber die Endkunden und Entscheider direkt an.

Und seine Kontaktpersonen zeigten sich überrascht von der Schönheit von Brasiliens Steinen, von denen sie vorher nichts gewusst hatten.

Allerdings: wie nun Platten oder Fliesen in einer Qualität liefern, die den hohen Ansprüchen des US-Marktes standhalten würde?

Fortaleza Brazil Stone Fair

Schon vorher war Guido Bissi mit seinen Koffern auch in umgekehrter Mission unterwegs gewesen. Auf dem Rückweg aus Europa oder den USA brachte er technische Neuerungen mit: etwa die neuen Diamantscheiben, die an die Stelle der bisherigen mit Carborundum-Beschichtung traten, wichtige Verbesserungen für die Gatter, die erste Tysaman-Brückensäge oder Zinkoxid zum Polieren mit vollendetem Glanz, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Ständig trieb er die technische Entwicklung voran. So war eine seiner Zielsetzungen, Granit in Platten mit 1 cm Dicke zu schneiden. (Anmerkung: noch in den Fünfzigern standen die – damals nur kleinen – Granitblöcke tagelang im Gatter und der Verschleiß an Sägeblättern war riesig; die Produktion war eher handwerklich als industriell.)

Viele Kenner der Materie auch in seinem Heimatland hielten das 1-cm-Ziel schlichtweg für nicht erreichbar – es kursierte das Schlagwort von der „Verrücktheit der Brasilianer“ (loucura brasileira).

Aber zusammen mit seinem Bruder Claudio schaffte er es, als erste weltweit.

Von 1963 an belieferte Granimar mit Erfolg den US-amerikanischen Markt. Hauptabnehmer war die Firma Walker Zanger. In der Folge hatte Granimar auch woanders Erfolge, etwa in Mexiko, Kanada, Japan und Australien und sogar auf dem sehr schwierigen europäischen Markt.

Nur 2 Beispiele: in Italien ist im berühmten Kaufhaus La Rinascente in Mailand der Granit Juparanã Clássico zu sehen; den Verde Ubatuba findet man im Rockefeller Center in New York am Denkmal für John Rockefeller. Lieferant war in beiden Fällen Granimar.

Guido Bissi starb 1973 im Alter von nur 47 Jahren.

Sein Bruder Claudio führte zusammen mit Sohn Marco Aurelio die Firma weiter. 1976 verkauften sie Granimar, und Claudio Bissi übernahm die Vertretung für Walker Zanger in Brasilien. Er ging im Jahr 2008 in Rente.

Fortaleza Brazil Stone Fair

Fotos: Fortaleza Brazil Stone Fair

Autor: Peter Becker