Die Architekten von Kleihues + Kleihues haben es geschafft, die gewaltige Baumasse recht unauffällig im Bezirk Mitte unterzubringen
An diesem Gebäude ist der Sockel das Beste, und passend zu der Tatsache, dass es sich um die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin handelt, sieht man ihn größtenteils gar nicht. Denn das gewaltige Gebäudeensemble mit 280 m Seitenlänge und 150 m Breite ist in eine Mulde entlang der Chausseestraße in Berlin-Mitte hineingesetzt. Wir wissen nicht den Grund dafür, vielleicht sind es Belange der Sicherheit, vielleicht auch ging es darum, die immerhin 9 Geschosse nicht höher als jetzt 30 m über das Straßenniveau hinauswachsen zu lassen.
Uns also hatte es der Sockel angetan, nachdem wir nach der offiziellen Eröffnung am 08. Februar 2019 das Ensemble in Augenschein nahmen. Zuvor hatten wir in dem Buch der Architekten Kleihues + Kleihues „BND, Die Zentrale“ (Hatje Cantz Verlag) geblättert. Dort findet man sehr viele schöne Fotos der Fassade und des Inneren.
Das Berliner Architektenbüro hat den Sockel über 2 Geschosse mit grob geschliffenem Zwiefaltener Travertin gestaltet. Regelmäßig sind Flächen in dieser steinernen Verkleidung zurückgesetzt – das Muster wird obendrüber in den Fenstern in der Verkleidung aus eloxiertem Aluminium wiederholt.
Das kennt man von woanders, und auch die Idee, mit dem Naturstein das Gebäude quasi aus der Erde herauswachsen zu lassen, ist nicht erwähnenswert.
So einfach aber hat es sich das Architektenbüro nicht gemacht.
Denn die Gestaltung des Sockels ergibt sich daraus, dass der Teil unten entlang der Waagerechten nach oben geklappt wurde.
Das Prinzip erkennt man nur auf den Entwürfen und an den beiden Empfangsgebäuden an der Chausseestraße.
Das Fassadenprinzip wiederholt sich an der anderen Längsseite entlang der Südpanke.
Mit zahlreichen unauffälligen Details haben die Architekten die Steinflächen belebt. Fachkollege Arno Lederer vom Büro Lederer+Ragnarsdóttir+Oei schwärmt in dem Fotobuch über eine Ecke an den Empfangshäusern: „Wie viele Stunden mag allein die Beschäftigung mit dieser Ecke, die so einfach aussieht, gekostet haben?“
Die architektonische Herausforderung insgesamt bestand darin, einem Gebäude mit solchen Sicherheitsauflagen von außen nicht den Charme eines Tresors zu geben und diese ungeheure Gebäudemasse irgendwie in die Innenstadt zu integrieren.
Das haben die Architekten geschafft, indem sie einerseits nicht eine Burg gebaut haben, andererseits aber auch darauf hindeuten, dass das eine Burg ist.
So wirken die mit dem Naturstein verkleideten Empfangsgebäude wie Blöcke und erinnern an Torhäuser aus preußischer Zeit. Solche kann man als moderne Nachbauten nicht weit entfernt in der Luisenstraße beim Charité-Hochhaus sehen.
Erwähnenswert an diesen Empfangsgebäuden ist in dieser Hinsicht noch ein Detail: die unterste Partie auf dem Niveau des Bürgersteigs – ein bisschen mit der Anmutung von Kellerschächten – zieht sich unter dem Zaun an der Chausseestraße entlang, zusätzlich zu der Pfostenreihe am Straßenrand: da wird unauffällig klargestellt, dass man dieses Gelände als mit einer Mauer umgeben erleben soll. Eine wirkliche Mauer könnte man für solche Zwecke heute wohl nicht mehr bauen, in Berlin schon garnicht.
Vom Inneren ist zu vermelden, dass es kaum jemand in Gänze zu sehen bekommt. Denn selbst für die BND-Mitarbeiter werden nach der Identifizierung am Eingang werden nur bestimmte Bereiche zugänglich gemacht.
Das bereits erwähnte Fotobuch zeigt Details aus dem Inneren: auf den Böden in den Gängen und Hallen gibt es neben Anröchter Dolomit weißen und grünlichen Terrazzo und dazu farblich passend Sichtbeton, in den Büros auch furniertes Eichenparkett.
Die repräsentative Vorfahrt zwischen den Torhäusern ist mit Platten aus gestocktem Pfraundorfer Dolomit gestaltet.
Zu erwähnen sind natürlich die Beispiele für Kunst am Bau, die man von außen sieht: auf der Panke-Seite stehen zwei 22 m hohe Palmen-Attrappen aus Stahl. „0 Grad Breite“ hat sie der Nürnberger Künstler Ulrich Brüschke betitelt. Er bezieht sich auf Funkmasten, die als Palmen getarnt wurden.
In der Vorfahrt liegt wie ein mächtiger Findling ein Körper aus Corten-Stahl. Mit dem „autarken, fremden, unergründlichen Ding“ wollte der Düsseldorfer Künstler Stefan Sous „einen subtilen Hinweis auf die Funktion des Dienstes geben: das Unbekannte aufklären und die eigenen Geheimnisse bewahren“, wie es auf der Homepage des für Kunst am Bau zuständigen Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung heißt.
Etwa 4000 Büros gibt es in dem Gebäudeensemble. Als Kosten inklusive Umzug von Pullach nach Berlin werden 1,3 Milliarden € genannt. Beim Bau gab es, wie in Berlin bei öffentlichen Projekten inzwischen üblich, große Kostensteigerungen.
Zwiefaltener Travertin in der Steindatenbank des Deutschen Naturwerkstein Verbands (DNV)
(11.02.2019)