Der berühmte Forscher brachte von seinen Reisen ein Denken in Zusammenhängen mit / Vom Faultier und vom Tambaqui-Fisch
Sein „Tableau Physique“ des Vulkans Chimborazo mit den Pflanzennamen und den Höhenlinien dazu gilt als ein Meilenstein in der Geschichte der Naturwissenschaften: indem Alexander von Humboldt hier einen detaillierten Überblick gab, was wo wächst, stellte er automatisch die Frage nach dem Zusammenhang des Ganzen: Wie verändern sich mit zunehmender Höhe die Lebensbedingungen und wie hat sich die Vegetation daran angepasst? Was sind die Faktoren, die dabei die wichtigen Rollen spielen?
Dieser Tage wird der 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt begangen. Er war Forscher, Entdeckungsreisender, ganzheitlicher Denker und Impulsgeber für vielfältige Forschungsansätze, die noch heute aktuell sind.
Geboren wurde Humboldt am 14. September 1769 in Berlin. Schon aus seiner Kindheit wird von einem großem Interesse an Tieren und Pflanzen berichtet, was ihn übrigens von seinem Bruder Wilhelm unterschied.
Von 1791 an studierte er Mineralogie an der Bergakademie im sächsischen Freiberg. Das war damals ein Modefach, denn die europäischen Landesherren hatten nach Jahrhunderten der Alchemie erkannt, dass man mit den exakten Methoden der Wissenschaften sehr viel effektiver Auskunft über die Schätze im Untergrund und die besten Gewinnungsmethoden bekommen konnte.
Humboldt wurde nach dem Studium Bergbeamter und wechselte in den Bergbau nach Oberfranken, wo er alsbald zum Oberbergrat aufstieg.
So weit seine Karriere in einem wirtschaftlich orientierten Unternehmen.
1796 aber wurde er finanziell unabhängig, als er von seiner Mutter ein Vermögen erbte. Fortan widmete er sich nur noch der Erforschung der Natur, und dies mit Besessenheit und Detailtreue, zudem gesegnet mit einer unverwüstlichen Gesundheit.
Fünf Jahre lang (1799-1804) bereiste er zusammen mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland die damaligen Kolonien in Süd- und Mittelamerika und lete auf der Rückreise noch einen Abstecher nach Washington und Philadelphia ein. Allein schon die Wegstrecke, die er zurücklegte, fordert Respekt, ebenso die Umstände, denen er sich gegenübersah: Auf dem Orinoco und Rio Negro zum Beispiel war er 75 Tage in einem Einbaum unterwegs.
Und später, als er schon 60 Jahre alt war, brach er nochmal zu einer großen Reise auf, diesmal nach Russland bis nach Sibirien. Er kletterte im Altai-Gebirge herum und sagte voraus, dass man im Ural Diamanten finden würde, was auch prompt wenig später geschah.
In Lateinamerika bestieg er etliche Vulkane, wie den Chimborazo im heutigen Ecuador, besuchte die Inka-Ruinen von Ingapirca, und schrieb Tausende von Tagebuchblättern mit Notizen voll, bei denen der Text auf Deutsch und Französisch verfasst ist und gerne in die Zeichnungen übergeht. Zurück in Paris und Berlin, wertete er dieses Material aus, redigierte es akribisch und verglich es unablässig mit einer großen Gemeinde an Forschern, mit denen er in Kontakt stand.
„Alles ist Wechselwirkung“ ist eines seiner berühmten Zitate, „alles hängt mit allem zusammen“ eines seiner Postulate. Die hier konstatierte Komplexität der Dinge schreckte ihn aber nicht ab von weiteren Forschungen, sondern war ihm Herausforderung, die einzelnen Faktoren in den Zusammenhängen zu identifizieren und ihr Wechselspiel zu begreifen.
Humboldt sprach sich übrigens zeitlebens vehement gegen die Sklaverei sowie gegen die Ausbeutung und Vernichtung der Menschen aus, die in den von ihm besuchten Gegenden seit alters zuhause waren.
Ein Höhepunkt des Festprogramms zum Jubiläum in Berlin werden die Großprojektionen am 14. September 2019 ab 21 Uhr an der Schlossfassade (auf der Seite zum Alexanderplatz) sein. Dorthin werden die Sternbilder der indigenen Ureinwohner projiziert und es wird erklärt, wie die damaligen Menschen diese für ihren Kalender nutzten.
Ein Beispiel: zu einer bestimmten Zeit im Jahr bleiben am eigentlich fischreichen Rio Tiquié, einem Nebenfluss des Rio Negro, die Angelhaken leer. Die Ureinwohner sahen die Ankündigung dazu am Himmel, wo, wie sie es verstanden, die Fische in den Leib der Sternenschlange krochen.
Viele ähnliche Naturphänomene in der Amazonasregion haben die Forscher erst später verstanden. Etwa: wozu mag es gut sein, dass das Faultier, das nur auf Bäumen lebt, sehr gut schwimmen kann?
Leicht nachzuvollziehen: es gibt dort eine Art von Winter, wenn nämlich der Amazonas mit seinen Zuflüssen Rio Negro und Rio Solimões das Schmelzwasser aus den Anden abtransportiert und im Tiefland riesige Landstriche (Várzea beziehungsweise Igapó) meterhoch und monatelang überschwemmt. Gut für das Faultier, dass es auch dann die Bäume wechseln kann.
Übrigens zieht dann unter ihm der Tambaqui seine Kreise: dieser Fisch hat ein gewaltiges Gebiss und kann damit sogar die Nüsse von den Bäumen ernten, die er nun auf einmal erreichen kann.
Es waren wohl nicht diese Geschichten, aber ähnliche, mit denen Humboldt seine berühmten Kosmos-Vorlesungen im Winter 1827/28 an der damaligen Berliner Singakademie anreicherte. Das Berliner Publikum war elektrisiert, berichten die Zeitgenossen über diese neue Art der Wissensvermittlung. Forschung wurde für eine Weile zum Stadtgespräch.
Veranstaltungen zum Humboldtjahr
Veranstaltungen der Bergakademie Freiberg
Das Berliner Naturkundemuseum zeigt unter dem Titel „Humboldt-Intervention“ in seiner Mineraliensammlung diejenigen Gesteine, die über Humboldt in seine Bestände gelangten (bis Ende Februar 2020). Dazu ist das Buch „Alexander von Humboldt. Minerale und Gesteine im Museum für Naturkunde in Berlin“ (Ferdinand Damaschun, Ralf Thomas Schmitt, Wallstein Verlag, 34,90 €, ISBN 978-3-8353-3582-0) erschienen.
Buch „Alexander von Humboldt, Henriette Kohlrausch. Die Kosmos-Vorlesungen an der Berliner Singakademie“ (Hrsg von Christian Kassung und Christian Thomas, Suhrkamp Verlag, 16 €, ISBN: 978-3-458-36419-1).
Forschung der Akademie der Wissenschaften Berlin-Brandenburg zu Alexander von Humboldt
(14.09.2019)