Unter Druck verformt sich die innere Struktur des Materials und springt danach in den Normalzustand zurück
Seit Urzeiten wurde Perlmutt wegen seiner Härte und Widerstandsfähigkeit bewundert. Vielfach wurde es in der Schmuckherstellung verwendet. Nun haben Forscher der Universität Michigan geklärt, woher diese außergewöhnlichen Eigenschaften stammen.
Bekannt ist schon länger, dass Perlmutt, bildlich gesprochen, wie eine Backsteinmauer aufgebaut ist: es besteht aus winzigen Plättchen von Kalziumkarbonat in der Variante Aragonit, zwischen die organisches Material wie ein „Mörtel“ eingelagert ist. Bekannt ist auch, dass dem organischen Material dabei eine besondere Rolle zukommt, denn Perlmutt ist rund 3000mal so widerstandsfähig wie pures Aragonit.
Nun hat eine internationale Forschergruppe um Robert Hovden, Dozent für Materialwissenschaften an der University of Michigan, mit piezo-elektrischen Sonden in Experimenten Schalen der Großen Steckmuschel (Pinna nobilis) unter großen Druck gesetzt und im Elektronenmikroskop verfolgt, wie sich dabei die innere Struktur des Perlmutt veränderte.
Sie fanden heraus, dass das organische Material, in das die nur ein paar hundert Nanometer winzigen Plättchen eingepackt sind, sich unter Druck zur Seite wegschiebt, so dass diese dann direkt aufeinander liegen. Die Oberfläche, die so gebildet wird, ist extrem kompakt.
Dieses Hin- und Herspringen zwischen 2 Varianten einer inneren Struktur kennt man auch von anderen Materialien. Plastik zum Beispiel kann das auch, jedoch geht jedesmal ein wenig an Elastizität verloren, so dass es allmählich diese Eingenschaft ganz einbüßt. Das Perlmutt hingegen verlor auch bei wiederholten Tests nichts von seinen Charakteristika.
Schwächer wurde seine Widerstandsfähigkeit erst, wenn man über 80% der Belastungsgrenze hinausging.
Hovden schaut bei seiner Analyse fasziniert auf die Evolution: „Es ist kaum nachvollziehbar, wie die Natur einzelne Moleküle von Kalziumkarbonat in Lagen anordnete und diese mit organischem Material verband – wobei auf der Ebene der Schalen das Perlmutt auch noch mit anderen Stoffen zusammengebracht wird.“
Indem man die Struktur des Perlmutt kopiert, könnten extrem widerstandsfähige und gleichzeitig leichte Materialien geschaffen werden, glaubt Hovden: „Die Natur hat das über Millionen von Jahren fertiggebracht – wir könnten mit unseren Computern kaum hinreichend Rechnerkapazität für so viele Simulationen bereitstellen.“
Quelle: University of Michigan
Frankfurter Allgemeine Zeitung
(29.10.2019)