Die Architekten von David M. Childs/Skidmore, Owings & Merrill (SOM) wollten, dass das Bauwerk sich aus jeder Perspektive anders zeigt
Das Projekt ist eines aus jener Größenordnung im Bauen, für die New York City überall bewundert wird, und zur Eröffnung im März 2019 gab es Reportagen weltweit: damals wurde ein Teil der Hudson Yards in Betrieb genommen. Das ist ein komplett neues Stadtviertel auf der Westseite von Manhattan direkt am Hudson River, errichtet auf überbauten Eisenbahngleisen, mit 16 Wolkenkratzern und einigen weiteren spektakulären Einrichtungen.
Wenn es im Jahr 2024 komplett fertiggestellt ist, sollen dort über 120.000 Menschen leben und arbeiten.
Wir wollen uns auf einen der neuen Wolkenkratzer beschränken, jenen mit der Adresse 35 Hudson Yards. Der wird in einer Pressemitteilung zum Gesamtprojekt als „Glas und Kalkstein-Turm“ bezeichnet. Lieferant des Natursteins war Franken-Schotter mit Sitz in Treuchtlingen-Dietfurt im Altmühltal und für die Firma war das Projekt ebenfalls ein Superlativ: sie lieferte rund 800 m³ ihres Jura-Kalksteins, das waren 23.000 vorgefertigte Fensterelemente aus Aluminium, Glas und Stein.
Das Gebäude mit 308 m Höhe und insgesamt 78 Stockwerken zählt zu den höchsten Wohnhochhäusern in Manhattan.
Nicht nur die schiere Menge an Naturstein war außergewöhnlich. Auch waren manche der Fassadenelemente sehr komplex in der Form, was für den Zusammenbau und die spätere Installation an der Fassade ausgefeilte Abläufe nötig machte.
Für die Firma war es das größte derartige Projekt, und es bestärkte sie bei ihrem künftigen Fokus auf solche Vorhaben. „Maximale Integration“ ist das Stichwort bei solchen Aufträgen, und Jonah Wurzer-Kinsler von Franken-Schotter beschreibt, um was es geht: „Vom Steinbruch bis zur Auslieferung der Fassadenelemente war alles in einer – unserer – Hand.“
Damit konnten die Kosten gesenkt werden, und damit wird auch ein Lieferant aus Mitteleuropa trotz der hohen Arbeitslöhne und Umweltauflagen international konkurrenzfähig.
Sofern die Koordination mit den Beteiligten klappt. Dazu später mehr.
Dass die Architekten von David M. Childs/Skidmore, Owings & Merrill (SOM) Naturstein für die Fassade wählten, hängt mit 2 Besonderheiten des Materials zusammen: zum einen half es dem Bauherrn, die angestrebte Umweltbewertung LEED-Gold auch zu bekommen; Franken-Schotter konnte sich hier mit seiner EMAS-Zertifizierung präsentieren, die dem Gebäude zusätzliche LEED-Punkte einbrachte.
Zum anderen spielten die beiden Materialien für die Gestaltung eine wichtige Rolle: wenn man um das Gebäude herumgeht, zeigt sich das Duo Glas und Stein aus jedem Blickwinkel anders. Von vorne sieht 35 Hudson Yards aus wie ein Glasturm, aus seitlichem Winkel wie ein Steingebäude. Von Innen hat man das Gefühl, als wäre es ganz aus Stein.
Am Sockelbau liegen die Naturstein-Platten wie eine übliche Verkleidung flach an der Fassade an.
Obendrüber ragen sie dreieckig aus der Oberfläche heraus.
Das macht die Fassade lebendig, zieht aber erhöhte Kosten nach sich: denn auch aus den Wohngeschossen ganz oben im Turm schaut man direkt auf diese dreieckigen Steinschwerter, und also kann auch dort nur erstklassiges Material verwendet werden.
Was die Farbe des Steins angeht, wollten die Architekten ursprünglich einen bestimmten Wechsel zwischen verschiedenen Nuancen von hell und dunkel. Im Verlauf der verschiedenen Prozesse vor der endgültigen Produktion der Fassadenelemente entschied sich der Bauherr für einen geringe Spielraum der Farbtöne: man wollte ein eher einheitliches Bild und auf jeden Fall ein Schachbrettmuster vermeiden.
Wie üblich bei solchen Vorhaben suchten Vertreter des Architekten im Werk die gewünschten Farbtöne aus. Es gab 3 Besuche der Architekten im Werk: zunächst wurden die Rohplatten begutachtet, dann der Zuschnitt, schließlich die zusammengebauten Elemente.
Zuletzt wurde noch ein Visual Mockup (Muster) begutachtet, anhand dessen man das endgültige Zusammenspiel von Glas, Stein und Aluminium unter verschiedenen Lichtverhältnissen beurteilen konnte. Das spielte sich bei der Firma Linwood in Pennsylvania ab, die später die einzelnen Elemente zusammenbauen würde.
Zuvor hatte es noch ein so genanntes Performance Mockup gegeben. Dabei wurden die Muster im Windkanal bei extremen Bedingungen wie Sturm und Starkregen getestet.
Jonah Wurzer-Kinsler betont, wie wichtig für den Erfolg des Projektes die Kommunikation mit der Firma New Hudson Facades war, die ganz zuletzt die von Linwood vorgefertigten Elemente an der Außenhaut des Gebäudes anbrachte.
Das galt zum Beispiel auch für die Logistik: weil es vor Ort keine Kapazitäten für die Lagerhaltung gab, wurde jedes Element genau nach dem Installationsplan just-in-time geliefert. Zu bedenken ist hierbei, dass die Stücke zunächst von Bayern aus per Bahn oder LKW zu den Häfen in Hamburg und Bremerhaven gingen und dann in den USA per LKW nach Pennsylvania und schließlich auf die Baustelle.
Bemerkenswerte Details waren:
* erlaubt war eine Toleranz von +/- 0,7 mm in allen Richtungen;
* täglich mussten bis maximal 130 Elemente aus Naturstein fertiggestellt werden;
* in den Dimples, das sind die zurückgesetzten Eingänge auf 2 Seiten im Sockel, hat jedes Steinelement seine eigene Form, damit die Fassade hier wie aufgefaltet erscheinen kann.
Kommen wir noch einmal auf den Anfang zurück, wo wir die spektakuläre Seite der Hudson Yards angesprochen hatten.
Zum Beispiel gibt es in einem der Hochhäuser die höchste Aussichtsplattform Manhattans mit einem gläsernen Balkon, daneben liegt ein begehbares Kunstwerk aus lauter Treppen, „The Vessel“ genannt. Natürlich ist alles da, was zum modernen Lifestyle gehört.
Speziell zum Wohnturm 53 Hudson Yards heißt es in der bereits erwähnten Pressemitteilung: „Die Wohnungen, die in der 53. Etage beginnen, bieten eine eigene Folge mit luxuriösen Merkmalen und Annehmlichkeiten: beeindruckender Panoramablick, Innenausstattung durch den berühmten Designer Tony Ingrao, bevorzugte Reservierung im hauseigenen Restaurant, Electric Lemon von Stephen Starr (mit Rund-um-die-Uhr-Dining-Service), Fitnesscenter und Meditationsraum nur für die Bewohner, Billardlounge, Golfsimulatorlounge mit Minibar, Sitzungssaal und private Bürosuite, Vorführraum, Bibliothek, privater Speisesaal, Kinderspielzimmer und Veranstaltungsraum mit Platz für mehr als 50 Gäste. “
Lassen wir auch eine kritische Stimme zu Wort kommen, nämlich das New York Magazine. Dessen Berichterstatter merkte an: „Hudson Yards ist eine Traumstadt für Milliardäre, aus der man nie heraus muss – so lange man dafür bezahlen kann.“
Skidmore, Owings & Merrill (SOM)
Download Pressemitteilung des Gesamtprojekts
Fotos: Related Oxford / Franken Schotter
(30.10.2019)