(Juli 2010) Da unterschätzt der Kollege der Tageszeitung „Die Welt“ die Steinbranche doch gewaltig: „Steinmetz-Arbeiten dieser Größe werden heute von keinem bekannten Unternehmen mehr gefertigt“, schreibt er zu jenen Granitsäulen von 6,5 m Länge aus dem Alten Ägypten. So jedenfalls steht es in seiner Ausstellungsbesprechung zu „Sahure – Tod und Leben eines großen Pharaos“. Die Schau ist noch bis zum 28. November 2010 im Liebieghaus in Frankfurt/Main zu sehen.
Ohne die unglaublichen Leistungen der Altvorderen schmälern zu wollen, verweisen wir hier nur auf jene Anzeige aus Spanien, die wir vor einer Weile veröffentlicht hatten: da sind Säulen von 12 m Länge aus einem Stück im Angebot.
Jener geheimnisvolle ägyptische König regierte von ca. 2428 bis 2416 v. Chr. Für Kleopatra, die für uns in unbekannter Ferne lebte, war Sahure also schon graue Vorzeit. Seine Pyramidenanlage in Abusir nahe Kairo war Vorbild für viele spätere Bauten. „Die Reliefs der gesamten Anlage gelten als größtes und schönstes von den begabtesten Bildhauern der damaligen Zeit gearbeitetes Bilderbuch Ägyptens“, heißt es im Pressetext der Ausstellung.
Die Frankfurter Schau vermittelt einen Eindruck davon. Ein Höhepunkt ist die Statue des Pharaos, die als Leihgabe aus dem Metropolitan Museum of Art in New York kam.
„Sahure – Tod und Leben eines großen Pharaos“, Liebieg Haus, Frankfurt/Main
Nicht nur im alten Ägypten wurden Pyramiden gebaut. In Mexikos Teotihuacan entstanden von etwa 100 v. Chr. bis 600 n. Chr. ebensolche Bauwerke. Später gerieten sie in Vergessenheit, bis um 1400 n. Chr. die Azteken sie wieder entdeckten – diese wiederum sind für uns auch schon wieder graue Vorzeit.
Der Martin-Gropius-Bau in Berlin zeigt bis zum 10. Oktober mehr als 450 Objekte aus dieser sagenumwobenen Metropole, die es ehedem auf geschätzte 125.000 Einwohner brachte. Etwa 50 km entfernt vom heutigen Mexiko-Stadt findet man sie, kontinuierlich besucht von Scharen von Touristen.
Wenig mehr ist von der ehemaligen Hochkultur überliefert als die monumentalen Pyramiden und das schachbrettartige Straßenmuster. Ausgrabungen lassen darauf schließen, dass es nicht einen Herrscher in dem Stadtstaat gab, sondern eine zahlenmäßig sehr große Oberschicht. Deren Mitglieder hatten das Sagen in den Wohnvierteln, wo die Menschen wie in Großfamilien zusammen lebten.
Die Pyramiden dienten vermutlich als Schauplätze für die Rituale dieser Oberschicht. Bemerkenswert ist, dass die Form der Pyramiden die Höhenlinie der Berge dahinter aufgreift. Viel von dem Stein der Wohngebäude wurde in Höhlen und Gängen unter der Stadt abgebaut. So entstand eine Art von Unterwelt, was wiederum die Forscher vermuten lässt, dass die gesamte Anlage das Weltbild der Bewohner widerspiegelt.
Was man sicher weiß, ist, dass die Gemeinschaft auch kriegerisch war. Ihr Reichtum basierte teils auf Tributzahlungen der Nachbarn, teils auf Handel. Handwerkliche Tätigkeiten spielten eine große Rolle im Stadtleben. Dabei war neben Keramik Obsidian eines der wichtigsten Güter. Das ist ein vulkanisches Glas, das bei schneller Abkühlung aus glühender Lava entstehen kann. Seine Besonderheit ist, dass es zu scharfen Kanten splittert. Vulkanglas war ehemals ein Material für die Messer, dies auf der ganzen Welt in den Zeitaltern vor der Bronze und dem Eisen.
Teotihuacan hatte ein Monopol auf die Produktion und den Handel mit Obsidian. In der Nähe gab es Bergwerke, so in der Sierra de las Navajas, wo die grüne Variante des Steins gebrochen wurde. Aus Otrumba kam die graue Variante. Das Material wurde in großen Blöcken gewonnen und kam zur Verarbeitung in die Stadt. Die Ausstellung zeigt Beispiele für Kunstwerke aus Obsidian und auch einige der monumentalen Basalt-Skulpturen aus der Stadt.
Wieso das ehemals blühende Gemeinwesen unterging, gibt den Forschern Rätsel auf. Sicher ist dazu bislang nur, dass die alte Ordnung offenbar zerstört wurde. Denn die Götterbilder wurden zerschlagen, und nicht nur umgestoßen, und es gab heftige Brände in der Stadt. Bei der Pressekonferenz zur Ausstellung hieß es, dass in den alten mittelamerikanischen Kulturen häufiger auf eine Phase der Blüte eine Instabilität folgte, in der die Gemeinschaft sich praktisch selbst auflöste.
„Teotihuacan – Mexikos geheimnisvolle Pyramidenstadt“, Martin-Gropius-Bau, Berlin
Beinahe bescheiden gegenüber den monumentalen Pyramiden sind die europäischen Burgen, denen gleich drei Museen Ausstellungen widmen: im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg geht es um „Mythos Burg“, im Museum für Archäologie in Herne heißt das Thema „AufRuhr 1225: Burgen, Ritter und Intrigen“ und das Deutsche Historische Museum in Berlin behandelt den Aspekt „Burg und Herrschaft“.
Die wichtigsten Gewerke für den Burgenbau waren seit dem 12. Jahrhundert Steinmetzen und Maurer. Den Spezialisten oblag das Zuhauen und Versetzen der Quadersteine für die Außenwände. Aber auch das Errichten einer Bruchsteinmauer etwa an einem schrägen Hang erforderte großes Können.
Wenig ist vom Burgenbau überliefert. Dienlich für eine Datierung einer Anlage sind deshalb Hinweise auf die Hebetechnik beim Versetzen der Steine: vom 8. Jahrhundert n. Chr. an kam zunächst meist der „Wolf“ zum Einsatz, ein Spreizeisen, für das man oben ein Loch in den Stein schlagen musste.
Seit dem 13. Jahrhundert setzte sich allmählich die Zange durch, die beidseitig in den Quader eingriff. „Auch hierfür musste man kleine Löcher schlagen, die man aber deutlich an den Fassaden sieht“, schreibt Professor Dr. G. Ulrich Großmann vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg in der Zeitschrift „Damals“ (7/2010), die das Thema unter verschiedenen Aspekten beleuchtet.
Das Baumaterial stammte meist aus der direkten Umgebung. Für die Burg auf einem Hügel bediente man sich des Gesteins der Hügelkuppe, die ohnehin abgeflacht werden musste. Im Tal zog man üblicherweise einen Graben um die Anlage und türmte aus dessen Fels die Mauern auf.
„Nur für besondere Bauteile musste man manchmal Steine aus größerer Entfernung beschaffen“, schreibt der Generaldirektor des Nürnberger Museums in der Zeitschrift. Beispiele sind im von Schiefer bestimmten Moseltal die Sandsteinquader der Fenstergewände. „Äußerst selten leistet man sich Ferntransporte: Karl der Große ließ für die Kaiserpfalz in Aachen um 800 Säulen aus Ravenna kommen, Friedrich II. um 1215 für die Säulen der Nürnberger Doppelkapelle Marmorsäulen aus Kärnten“, heißt es weiter.
Was die Rolle von Burgen angeht, waren sie keineswegs in erster Linie ein militärischer Schutzraum, und auch gab es dort kaum Ritterspiele und Minnedienst. Vielmehr dienten sie als juristische Symbole, schreibt Professor Dr. Werner Meyer von der Uni Basel: wem die Burg gehörte, dem gehörte auch die Herrschaft über die angrenzenden Ländereien.
Für einen Eroberer bedeutete das ganz praktisch, dass es nicht genügte, wenn er nur die Umgebung mitsamt den Bewohnern in seine Gewalt brachte. Legitimiert war seine Herrschaft erst dadurch, dass er die Burg eroberte. Erst dann durfte er den Untertaneneid verlangen und legal Steuern erheben.
Keineswegs waren Burgen immer jene romantischen Hochanlagen auf Berggipfeln, die weit übers Land Ausschau halten und von Weitem zu sehen sind. Meist wurden nur kleine Forts in der Ebene gebaut, von denen aus Urwälder oder Sümpfe urbar gemacht wurden.
„Mythos Burg“, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
„AufRuhr 1225: Burgen, Ritter und Intrigen“, Museum für Archäologie, Herne
„Burg und Herrschaft“, Deutsches Historisches Museum, Berlin
Zeitschrift „Damals“