Das Exemplar im Berliner Naturkundemusuem gehört zu den ältesten bekannten einkeimblättrigen Pflanzen
Der Wissenschaftler Clément Coiffard, Botaniker am Museum für Naturkunde Berlin, hat zusammen mit einem internationalen Forscherteam in der Forschungssammlung des Museums eine besondere Entdeckung gemacht: er fand die älteste, vollständig erhaltene Lilie. Sie heißt mit wissenschaftlichem Namen Cratolirion bognerianum und steckt in kalkigen Sedimenten aus einem einstigen Süßwassersee in Crato im Nordosten Brasiliens.
Mit einem Alter von ca. 115 Millionen Jahren gehört Cratolirion zu den ältesten bekannten einkeimblättrigen Pflanzen. Dazu gehören zum Beispiel Orchideen, Süßgräser, Lilien und Maiglöckchen. Cratolirion ist außerordentlich gut und vollständig erhalten, mit allen Wurzeln, der Blüte, selbst die einzelnen Zellen sind fossil überliefert.
Das Exemplar zeigt trotz seines für die Geschichte der Pflanzen jungen Alters schon fast alle typischen Merkmale einkeimblättriger Pflanzen, u.a. parallelnervige, schmale Blätter mit Blattscheide, ein faseriges Wurzelsystem und dreizählige Blüten (zweimal drei gleichartig aussehende Blütenhüllblätter und Kronblätter, zweimal drei Staubblätter und drei Fruchtblätter).
Zusätzlich hat Cratolirion mit einer Dolde auch einen einzigartigen Blütenstand als besonderes Merkmal.
Schon vorher waren anhand von aus dem einstigen Süßwassersee in Crato viele frühe zweikeimblättrige Blütenpflanzen beschrieben worden. Dazu gehören Seerosen (Jaguariba, Pluricarpellatia), Aronstäbe (Spixiarum), dürreresistente Magnolien (Schenkeriphyllum, Endressinia) sowie Verwandte von Pfeffer (Hexagyne) und Lorbeer (Araripia).
Im Gegensatz zu anderen Blütenpflanzen gleichen Alters aus den USA, Portugal, China und Argentinien, sind die Blütenpflanzen der Crato-Flora ungewöhnlich divers. Dies könnte damit zusammenhängen, dass sich das Gewässer in niedrigen Breitengraden befand, alle anderen erhaltenen Fossilien früher Blütenpflanzen jedoch aus den mittleren Breitengraden stammen. Anhand dieser neu beschriebenen Pflanze Cratolirion bognerianum und der oben erwähnten Arten der Crato-Flora lässt sich ableiten, dass die tropischen Blütenpflanzen bereits sehr vielfältig waren.
Damit ergeben sich aus dieser Studie neue Forschungsfragen über die Rolle der Tropen in der Entwicklung früher Blütenpflanzen und ihrem Aufstieg zur weltweiten Vorherrschaft.
Nature Plants, Clément Coiffard1*, Nikolay Kardjilov2, Mary E.C. Bernardes-de-Oliveira, Fossil evidence of Core monocots in the Early Cretaceous
Quelle: Museum für Naturkunde Berlin
(10.03.2020)