Es war ein abruptes Klimaextrem, das Ninive, einst die größte Stadt der Welt, zu Fall brachte

Juden auf dem Weg in die assypische Gefangenschaft, Detail aus dem Lachisch-Relief im British Museum. Foto: British Museum

Eine 60-jährige Dürre schwächte den assyrischen Staat so sehr, dass seine Hauptstadt von Babyloniern und Medern überrannt werden konnte

In der Bibel wird Ninive als die größte Stadt und als das Zentrum der Welt bewundert: Es war die Hauptstadt des neuassyrischen Reiches, das im Nordirak lag und sich vom Iran bis nach Ägypten ausdehnte. Aber: Nach mehr als zwei Jahrhunderten der Dominanz in der Region brach es um 612 v. Chr. sehr schnell zusammen. Die Ruinen waren fast 2500 Jahre lang vergessen, bis Archäologen vor etwa 180 Jahren mit Ausgrabungen begannen.

Trotz einer Vielzahl von Keilschrifttexten sowie archäologischen Ausgrabungen und Felduntersuchungen konnten Archäologen und Historiker bislang die Abruptheit und Endgültigkeit dieses Zusammenbruchs nicht erklären. Kern des Rätsels war, wieso zwei vergleichsweise kleine Armeen – die der Babylonier aus dem Süden und der Meder aus dem Osten – Ninive überrollen und es so vollständig zerstören konnten.

Ein Forscherteam hat nun eine Erklärung gefunden: Bei der Untersuchung von Niederschlagsaufzeichnungen aus der Region entdeckten die Wissenschaftler eine 60-jährige Extremdürre, die den assyrischen Staat extrem schwächte.

Assyrien war eine Agrargesellschaft, die für den Getreideanbau auf saisonale Niederschläge angewiesen war. Die Babylonier hingegen waren mit ihrer Bewässerung weniger von solchen Schwankungen betroffen.

Das Team analysierte Tropfsteine aus der Kuna Ba-Höhle im Nordosten des Irak. Aus der Isotopenverteilung von Sauerstoff und Uran in deren Schichten konnten sie die damalige Klimageschichte ablesen.

Harvey Weiss, Professor für Archäologie und Umweltstudien an der Yale University, und das Forscherteam synchronisierten diese Erkenntnisse mit archäologischen Funden und Keilschrift-Texten und konnten die Dürrephase identifizieren. Eine weitere Erkenntnis war, dass die Dürre auf eine feuchte Phase folgte, in deren Verlauf das assyrische Reichs so extrem expandiert war.

„Diese Gesellschaften erlebten Klimaveränderungen, die so groß waren, dass sie sich nicht einfach an sie anpassen konnten“, sagt Weiss.

Beteiligt an den Forschungen waren auch Wissenschaftler der California State University in Dominguez Hills, der Xi’an Jiaotong University, der University of Minnesota, der University of Colorado-Boulder, der University of Illinois-Chicago, der University of Ankara und der University of Southern California.

Quelle: Yale University

Science Advances

(23.04.2020)