(Juli 2008) Zwei gegenläufige Tendenzen bestimmen die weltweite Natursteinbranche: Zum einen lässt die Globalisierung den Warenaustausch zwischen den Kontinenten immer wichtiger werden, und zum anderen gewinnen gleichzeitig die Heimatmärkte an Bedeutung. Außerdem: Asien entwickelt sich weiter zu einem Riesen in Sachen Produktion und Verbrauch, und auch Osteuropa wird zu einem immer interessanteren Absatzmarkt. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse der Analyse „Stone Sector 2007“, die von der Internazionale Marmi e Macchine (IMM) erstellt wurde.
Geprägt waren die Statistiken des Jahres 2007 für die Natursteinbranche weltweit durch die Krise im Baugeschehen in den USA und den niedrigen Dollarkurs, aufgrund dessen viele der Lieferanten nach Nordamerika kaum noch etwas an ihren Lieferungen dorthin verdienen. Silvana Napoli, Autorin der Studie, umriss bei ihrer Präsentation die US-Immobilienkrise mit einer Zahl: „Im ganzen Jahr 2007 wurde in den USA nur eine einzige Shopping Mall gebaut.“
Gravierend waren die Auswirkungen auf die Hauptlieferanten in die USA, dies besonders bei Granit-Endprodukten wie etwa Küchenarbeitsplatten: Brasilien verzeichnete 2007 gegenüber dem Vorjahr ein Minus um 14,5 %, Indien -8,7 % und China -6,7 %. Interessanterweise kam Italien mit -1% relativ ungeschoren davon.
Beim Marmor derselben Kategorie musste die Türkei als Hauptlieferant starke Einbußen hinnehmen. Steigerungen erreichten hier Mexiko und, in geringerem Ausmaß, Ägypten. Die Zahlen für diese beiden Länder sind allerdings von der Größe her nicht mit denen der Türkei zu vergleichen.
USA: Kampf der Newcomer
Die Studie konstatiert, dass offenbar der Kampf um den US-Markt weitgehend unter den Newcomern auf dem globalen Natursteinparkett ausgetragen wird. Diese verzeichneten allesamt kräftige Einbrüche dort, während Italien als ehemaliger Weltmarktführer seine Position nahezu bewahren konnte.
Stellt sich die Frage, wie man das erklären kann, zumal doch Italien mit den teureren Sorten dort auf dem Markt ist.
Interessant ist die Antwort, die die Studie gibt, genauer: die Frage, die sie stellt. Diese ist: Könnte es sein, dass in Zeiten großer Unsicherheiten infolge der Globalisierung der Konsument sich stärker Produkten sozusagen mit Geschichte zuwendet, weil diese ihm Sicherheit und Verlässlichkeit signalisieren? Anders gefragt: Könnte es sein, dass die Steinbranche des Alten Europa, die von der Globalisierung so arg gebeutelt wurde, nun gerade von ihr profitiert?
Langsamkeit statt Langlebigkeit
Für das Marketing würde das bedeuten, dass die Steinbranche die lange Lebensdauer ihrer Produkte in den Vordergrund stellen sollte. Diese Idee wurde im Rahmen des ICDS-Kongresses, auf dem die Studie auch Thema war, angesprochen und es gab Widerrede: Es sei fraglich, hieß es, ob der Verbraucher wirklich Materialien wolle, die ihn überlebten – schließlich würden diese ihn selbst für sein ganzes Leben festlegen und sogar noch seine Kinder.
In den Diskussionen am Rande des Kongresses tauchte deshalb der Vorschlag auf, man sollte beim Marketing anstelle der Langlebigkeit lieber den Aspekt der Langsamkeit ins Zentrum stellen – go stone, go slow, als Slogan, sozusagen: wer sich Naturstein ins Haus holt, hält damit den Alltagsstress vor der Tür.
Zurück zur Studie. Die USA bleiben ohne Zweifel auch künftig der wichtigste Markt, vor allem im Hinblick auf das Preisniveau und die Gewinnmargen, so eine weitere Aussage. Nach Menge sei der größte Verbraucher aber China. Das sei teils auf die Olympischen Spiele und die Weltausstellung in Shanghai zurückzuführen. Allerdings werde auch in den kommenden Jahren das Wachstum dort weitergehen, wobei aber Aussagen über dessen Höhe nicht möglich seien. Gleiches gelte für Indien, das als Produzent und Verbrauch von Naturstein gleich hinter China kommt.
Supermacht China
Auf einen Punkt weist die Studie besonders hin. Den kann man auf die Bezeichnung Chinas als „Supermacht“ bringen, auch wenn die Studie den Begriff nicht verwendet: China habe in seiner Umgebung in einigen Ländern als Lieferant eine solche Marktmacht erreicht, dass Wettbewerber kaum noch Chancen hätten. Hingewiesen wird auf Japan, von dessen Einfuhren an Granit-Endprodukten China 97,6% innehat. Ähnlich verhält es sich mit Süd Korea.
Europa wird als Verbraucher für ausgereifte Produkte auch künftig eine große Rolle spielen, schreibt die Studie. Besondere Bedeutung komme hier Deutschland zu. Unter den Produzenten hätten Italien und Spanien es geschafft, sich neu aufzustellen. Gelungen sei ihnen das, indem sie sich gegenüber den Konkurrenten absetzten: Man habe sich auf das Qualitäts-Segment des Marktes spezialisiert und damit Terrain gutgemacht.
Ein Schwerpunkt der Studie analysiert die Zahlen für Italien, und wirft hier ein besonderes Licht auf dessen Exporte bei Maschinen. Hier sei die Bilanz eindeutig positiv: Die Neulinge unter den Exporteuren wie Algerien, Marokko, Polen oder Vietnam würden, um ihrerseits neue Marktsegmente zu beliefern, in die Qualität ihrer Produkte investieren und in Italien die Technologie dafür einkaufen.
Trotz internationaler Konkurrenz sieht die Studie die Chancen Italiens im Maschinensektor viel versprechend: Forschung und Innovation im dauernden Austausch mit der heimischen Steinindustrie würden helfen, mit immer neuen und besseren Produkten herauszukommen und damit Konkurrenten wie China immer einen Schritt voraus zu sein.
Die Steinexporte Italiens blieben nach Wert von 2006 zu 2007 insgesamt nahezu konstant (+0,8 %) und stiegen nach Volumen um +2,6 %. Allerdings gab es eine deutliche Verschiebung bei den Abnahmeregionen: Kräftigen Anstiegen in den Lieferungen nach Lateinamerika (Wert: + 30,6 %, Volumen: +7,2 %) und nach Fernost (Wert +11,3 %, Volumen +15,1 %) sowie ausgehend von niedrigerem Niveau nach Afrika (Wert: +36 %, Volumen: +34,9 %) standen vergleichbare Einbrüche beim Nordamerika-Geschäft (Wert: -11%, Volumen: -14,9 %) gegenüber.
Die Studie „Stone Sector 2007“ kann für 10 € bei der IMM Carrara bestellt werden.