Der neuseeländische Bildhauer und Land-Art-Künstler lässt sich für seine Arbeiten von der Gegend, der Natur und der Geschichte dort inspirieren
Mit wirklich großen Augen betrachtet der neuseeländische Bildhauer und Land-Art-Künstler Chris Booth die Welt, und was er dann aus seinen Eindrücken macht, ist häufig auch groß. Und schwer. Jedoch, wenn man wie er genau hinschaut, findet man im Großen plötzlich auch das Kleine, das unsere Welt nicht weniger bestimmt.
Eine seiner monumentalen Arbeiten ist „Echo van de Veluwe“, eine Arbeit für den Park des niederländischen Kröller-Müller-Museums. Die Komposition aus 310 einzelnen Steinen mit einem Gesamtgewicht von 32 t wurde im Liegen montiert, dann mit einem gewaltigen Autokran über die Bäume gehoben und an einer bestimmten Stelle im Park senkrecht wieder aufgestellt.
Aus der Ferne wundert sich der Besucher, was er denn da vor sich hat, beim Näherkommen aber kommt es ihm in den Sinn, dass die einzelnen Steine auch Sandkörner sein könnten, die in einem lange vergangenen Zeitalter von Riesen aneinandergefügt wurden.
Bei anderen Arbeiten bezieht sich Booth klar auf die ganz großen Kräfte der Natur, nämlich die Konvektion im Erdinneren und als Folge davon die Plattentektonik in der Erdkruste. So geschehen bei „Wairau Strata“, das an einer geologischen Bruchzone in Neuseeland steht.
Während solche Arbeiten wie auf ewig angelegt zu sein scheinen, gibt es auch viele „kinetische“ Objekte, wie der Künstler sie nennt. Zum Beispiel „Transformation Plant“ (Veränderungsanlage): hier sind Steinquader auf einem Haufen Altholz aufgestellt – so wie das organische Material sich über die Jahre zersetzen wird, sollen sich die Säulen nach außen neigen, so als würde sich eine Blüte öffnen.
Mancher mag bezweifeln, dass das so funktioniert. Doch Chris Booths Arbeiten basieren alle auch auf einem ausgefeilten ingenieurstechnischen Konzept, welches die jeweilige Komposition überhaupt erst möglich macht und auch sicher zusammenhält. Die aufwändige Vorarbeit und die Art der Konstruktion bleiben verborgen.
Dass er bei vielen seiner Werke sich ausgerechnet der Pilze bedient und sie als Mitwirkende nennt, führt uns zu dem Kleinen in seinen Arbeiten: denn die Lebensform der Pilze ist eigentlich überall, aber nie zu sehen, der eigentliche Gewächs ist ein Geflecht von Fäden, das unterirdisch wächst. Nur sein landläufig „Pilz“ genannter Fruchtkörper kommt unter bestimmten Bedingungen an die Oberfläche, um dort riesige Mengen an Sporen freizusetzen.
So ist es auch mit den Kräften im Inneren unseres Planeten, von denen wir nur das Ergebnis mitbekommen, zum Beispiel Erdbeben. Oder der Wind, den Booth bei manchen seiner hohen Steinstapel als Mitwirkenden benennt: die „Koonya Beach Columns“ heben sich aus dem Blätterdach der Vegetation heraus und „wollen vielleicht den Wind verführen“.
Zu seiner Art kreativ zu sein schreibt er auf seiner Webpage: „Die Gestaltung orientiert sich an einer Frage: welche Form würde die Geschichte von Land und Leuten am besten abbilden?“ Das heißt: er erscheint vor Ort und lässt sich dort von den Gegebenheiten inspirieren. Dann folgt eine Phase der Recherche, etwa zu den Pflanzen und Tieren dort oder zu den Menschen und ihrer Geschichte. Als Material verwendet er bevorzugt das, was er an Ort und Stelle vorfindet.
Als „ganzheitliche Herangehensweise“ bezeichnet er das.
Seine Lehrjahre verbrachte er in Europa zum Beispiel bei Barbara Hepworth in Cornwall oder Quinto Ghermandi in Verona. Seit er in seine Heimat auf der Nordinsel Neuseelands zurückgekehrt ist, bezieht er bei größeren Projekten dort immer auch einen Älteren aus der Gemeinschaft der Ureinwohner mit ein. Es geht ihm um „den Geist des Landes“: wenn der Ältere ernste Zweifel an dem Konzept äußert, würde er es überarbeiten oder sogar neu entwerfen, schreibt er auf der Webpage.
Dass das noch nie passiert ist, bestärkt ihn in seiner Herangehensweise.
Sein Weg zu dieser Art der Kunst wurde schon in der Jugend vorgezeichnet: „Die Liebe meiner Eltern zur Natur hatte einen riesigen Einfluss auf mich und meine 3 Brüder. Wir wuchsen auf einem Obstgarten auf, der von einheimischem Grün umgeben und von einem mit Felsbrocken übersäten Fluss begrenzt war. An den meisten Wochenenden zogen wir zusammen los, um die Küste, die Wasserläufe oder den Wald zu erkunden.
Gelernt hat er dabei wohl auch, dass das Leben Lebensräume braucht, und so sind manche seiner Arbeiten darauf angelegt, dass sie von Tieren und Pflanzen besiedelt werden beziehungsweise diesen für gewisse Zeiten Schutz bieten.
Fotos: Chris Booth
(06.07.2020)