Der englische Künstler lässt sich von den Gegebenheiten an einem Ort inspirieren und stellt aus den Materialien dort seine Kunstwerke zusammen
Das hatten wir uns so schlau ausgedacht: wir wollten der Land-Art des englischen Künstlers James Brunt ganz auf den Grund gehen und schickten ihm die Frage, wieso bei seinen Arbeiten die Geometrie eine so große Rolle spielte und ob er vor seinem Kunststudium an der Byam Shaw School of Art in London sich vielleicht mit Mathematik beschäftigt hatte. Die Antwortmail fiel denkbar trocken aus: Nein, seine Kunstwerke würden nicht von Ideen aus der Geometrie angestiftet, sondern von dem Material, das an einem Ort herumliege.
James Brunt fügt Blätter, Ästchen, Holzstöckchen oder auch Steine zu überraschenden Arrangements zusammen. Gerne legt er sie auf Wegen aus – er will nicht ins Unterholz und dort die Dinge durcheinanderbringen, schreibt er. Was er also komponiert, ergibt sich, wie bereits gesagt, aus dem, was ihm an Ort und Stelle geboten wird.
Dabei gibt es mitunter Arrangements wie jenes auf dem Foto ganz oben, in dem wir eine Sonnenblume gesehen hatten. Das Bild hatte uns auf die Idee gebracht, dass Brunt die Krümmung der Linien (mathematisch: Fibonacci Spiralen) und den Farbverlauf der Blätter mithilfe der Mathematik auf den Boden gebracht hatte.
Wobei, und jetzt wollen wir doch als Besserwisser daherkommen, bei diesen Arrangements auf diesem Foto hatte er natürlich die berühmten Grafiken von Victor Vasarely im Kopf, die zum kulturellen Allgemeingut unserer Zeit gehören und die jeder kennt.
Brunts Arbeiten überleben nur als Fotos. Die Arrangements der Blätter verschwinden, sobald der Wind durch sie hindurchweht; die Steinstapel oder -kreise am Meer räumt nach einer Weile die Flut wieder ab. Er hält sie aber mit Fotos fest, die er verkauft.
Faszinierend ist, wie er mit seinen unauffälligen Arrangements die Schönheit der Natur herausarbeitet: Selten hat man die Blätter des Herbstes mit solch kräftigen Farben gesehen, und doch liegen sie jedes Jahr zum Ende der Vegetationsperiode überall herum. Gelegentlich hat Brunt eine Schere dabei, mit der er Formen aus den Blättern ausschneidet.
Auch hat er schon Blätter in Ton geformt und aus ihnen eigene Kreise arrangiert.
Dabei agiert er in einem sehr interessanten Spannungsfeld zwischen Zurückhaltung und entschiedenem Vorpreschen. Denn einerseits versucht er, den vorgefundenen Ort mit seiner Arbeit nicht aus der Ruhe oder dem Gleichgewicht zu bringen. Andererseits aber fügt er ungeniert seine Arbeit in die Situation vor Ort ein, etwa wenn er die Wurzeln eines Baumes mit Stöckchen zu Spinnennetzen erweitert oder genauso zwischen Bäumen seine Linien zieht.
Der Betrachtet freut sich und schmunzelt – oder grübelt: es hätten ja tatsächlich Netze einer noch unbekannten Art von Spinnen oder Karawanen von wandernden Schmetterlingsraupen sein können…
Brunts‘ Webpage ist etwas unorganisiert, wollen wir unsere Leser warnen und hatten wir auch ihm geschrieben. Er wolle sich nicht wirklich mit solchen technischen Themen abgeben, hatte er geantwortet.
Wir empfehlen also:
* wer Brunts „Code of Practice“ mit ein paar Bemerkungen zu seinem Selbstverständnis als Künstler lesen will, findet den kurzen Text in der Rubrik „Arbeiten“,
* wer sich die Arbeiten anschauen will, blättert hingegen am besten durch den „Blog“.
(07.08.2020)