Kunst: Steinmonster gegen Schreckensmeldungen

Hamster als Wasserspeier.

Gruselig sind sie, die Wasserspeier überall an den christlichen Kirchen. Dabei waren diese Ungeheuer in Stein ehedem gerade nicht dazu da, den Leuten Angst zu machen. Vielmehr sollten sie dazu dienen, die Schrecken sowohl der realen Welt als auch der menschlichen Vorstellung beherrschbar zu machen, eben indem man sie darstellte und so festhielt.

Walter Arnold ist berühmt für seine Wasserspeier, von denen sich etliche an der National Cathedral in Washington D.C. befinden. Er wurde kürzlich zum 4. Mal hintereinander zum Präsidenten der US-amerikanischen Stone Carvers’ Guilt (Steinmetzgewerkschaft) gewählt, und sein Geschäftsmodell könnte Vorbild sein für manchen Steinmetz.

Arnold pflegt nämlich einerseits mit aller Kraft das traditionelle Handwerk und gestaltet große Skulpturen für vielerlei Anwendungen. Gleichzeitig aber scheut er sich andererseits nicht, wenig prätentiöse Objekte für Wohnzimmer oder Gärten zu gestalten.

Mehr noch, und das ist nun schon sensationell für einen Steinmetz: manche seiner Originale (meist aus Indiana Limestone) kopiert er selber in Kunstharz und vertreibt sie zu günstigen Preisen übers Internet!

Zurück zu den Monstern der Vergangenheit. Vielleicht steckt in ihnen ein Markt für die Zukunft. Denn auch in unserer modernen Welt gibt es Alltagsgespenster – aktuell kann man miterleben, wie die unablässigen Katastrophen- und Schreckensmeldungen in den Medien immer mehr Menschen Angst machen.

Umgekehrt aber könnten solche Figuren, wenn sie spaßige Gesichter oder Gestalten sind, die Menschen auch zum Lachen bringen und ihnen so ganz beiläufig Freude am Dasein geben.

Arnold hat zum Beispiel einen putzigen Hamster als Wasserspeier gestaltet, oder eine gnatzige Fliege, die ausgerechnet eine Dose mit Insektenspray festhält. Beide befinden sich an der Kathedrale in Washington, wo er fünf Jahre arbeitete. Für einen anderen Kunden hat er für eine Mauer Tierköpfe hergestellt, von denen zwei, der Otter und der Berglöwe, Wasserspeier sind. Auch die uralte Tradition der Schlusssteine erweckt er zu neuem Leben.

Arnold begann als 12-Jähriger mit dem Hämmern an Steinen, lernte das Handwerk im italienischen Pietrasanta unweit von Carrara und eröffnete nach der Zeit an der Washingtoner Kathedrale sein Studio in seiner Heimatstadt Chicago.

Walter S. Arnold

Fotos: Walter Arnold

Darth Vader und Erdbeeren

Noch zwei Hinweise: Ganz oben an der Washingtoner Kathedrale gibt es einen weiteren spektakulären Wasserspeier, diesmal allerdings nicht aus der Werkstatt von Walter Arnold und nicht von unten zu sehen: Darth Vader aus dem Film Krieg der Sterne!

Und: Am Kölner Dom in Deutschland gab es bis vor wenigen Jahren eine Stelle mit Schäden aus dem 2. Weltkrieg. Weil man von der Originalverzierung nichts mehr wusste, brachte ein Steinmetz bei der Restaurierung Blüten von Erdbeeren, Blätter vom Ahorn und Ranken der Zaunwinde an das Gotteshaus.

Spezialistin für Wasserspeier ist Dr. Regina E.G. Schymiczek. Sie hält Vorträge zum Thema und hat Bücher dazu veröffentlicht. Mehr auf Ihrer Webpage.

(September 2010)