Könnte man die Schicht von Muschelkalk über dem ehemaligen Berliner Sandstein-Erdgasspeicher in Zukunft für die Speicherung oder Gewinnung von Wärme nutzen?

Die Schichtungen im Gestein bieten, wo sie an der Oberfläche sichtbar werden, immer ein besonderes Bild. Foto: Wladyslaw / <a href="https://commons.wikimedia.org/"target="_blank">Wikimedia Commons</a>, <a href=" https://en.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons_license"target="_blank">Creative Commons License</a>

Der Rückbau der Anlage aus Mauerzeiten bietet die Chance, quasi im Vorbeigehen einen detaillierten Blick in den märkischen Untergrund zu werfen

In Mauerzeiten wurde in einer Sandsteinschicht etwa 1015 bis 1045 m unter dem Berliner Grunewald Erdgas zwischengelagert, um die Stadt von politischen Vorkommnissen unabhängig zu machen. Die Anlage wird seit einigen Jahren zurückgebaut – das bietet den Wissenschaftlern vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam die einmalige Gelegenheit, quasi nebenbei einen Blick auf eine andere Gesteinsschicht dort unten zu werfen, die sich vielleicht für die Speicherung beziehungsweise Gewinnung von Wärme eignen könnte.

Konkret geht es um die eine Schicht aus Muschelkalk, die etwa 500 m über dem nicht mehr benötigten Erdgasspeicher liegt. In ihr gibt es wiederum 2 besondere Formationen, nämlich jeweils aus 15 m dicke Lagen aus Schaumkalk mit sehr vielen Poren. Dieses Gestein ähnelt tatsächlich einem sehr harten Schaum, der vor Urzeiten entstand, als sich am Grund eines flachen Meeres ganz langsam um kleine Sandkörner oder um Reste von Muschelschalen eine Kalkhülle bildete.

In den Poren dieses Schaumkalks steckt reichlich Wasser fest, das normalerweise nur entlang von Klüften fließen kann, die sich im Gestein bilden. Weil der Muschelkalk und auch das darin eingeschlossene Wasser unter dem Berliner Grunewald in einer Tiefe zwischen 500 und 550 m ungefähr 32 Grad warm sein sollte, könnte man die darin steckende Energie als Erdwärme nutzen.

Umgekehrt könnte man im Sommer in diesem Schaumkalk überflüssige Wärme hinabpumpen und für den Winter speichern.

Wie gut sich eine solche Gesteinsschicht in der Tiefe nutzen lässt, hängt ganz entscheidend davon ab, wie viel Wasser im Karbonat-Gestein des Schaumkalks steckt und welche Mengen durch die dort unten natürlich entstandenen Klüfte strömen können. Um das zu untersuchen, müsste man normalerweise teure Bohrungen niederbringen – nun aber kann man die Bohrungen aus der Zeit des Erdgasspeichers umnutzen, um den Dingen weiter oben auf den Grund zu gehen.

Echtzeitmonitoring in der Bohrung durch faseroptische Temperaturmessung. Foto: Daniel Acksel

Die GFZ-Forscher holen derzeit über die Bohrungen zunächst einmal Wasserproben aus dem Muschelkalk der Tiefe an die Oberfläche. Die Hydrochemikerin Simona Regenspurg untersucht mit ihrer Arbeitsgruppe die dort enthaltenen Stoffe, um zu erkunden, woher das Wasser kommt und wie man es nutzen könnte: „Welche Mengen an Salz und anderen Stoffen sind im Wasser gelöst?“, fragt die GFZ-Forscherin sich.

Für die Salze interessiert Simona Regenspurg sich, weil diese ausfallen und so die technischen Prozesse beim Nutzen der Erdwärme behindern könnten. Kennt man die Mengen und die Zusammensetzung dieser Salze, können die Ingenieure später auch besser Korrosion verhindern. Zusätzlich analysiert in einem neuen GFZ-Schwerpunkt zur Erforschung des Lebens in der Tiefe der Geomikrobiologe Jens Kallmeyer, ob und welche Mikroorganismen im Wasser enthalten sind und wie deren Aktivitäten den Untergrund beeinflussen.

Um die Menge an Wasser abzuschätzen, das aus den Klüften im Schaumkalk fließt, planen die Forscher unterschiedliche Analysen. „Lifttest“ nennen sie ein wenig scherzhaft eine dieser Methoden, bei der Stickstoff in die Bohrung gepumpt wird. Dadurch schießt das Wasser nach oben und die Forscher können messen, wie viele Kubikmeter Wasser in einer Stunde aus der Bohrung kommen. Bei einer weiteren Methode drücken sie mit Stickstoff das in der Bohrung stehende Wasser rund 100 m nach unten. Über ein Ventil wird dann an der Oberfläche der eingepresste Stickstoff sehr schnell abgelassen und das Wasser steigt in der Bohrung wieder nach oben. „Aus diesem Wiederansteigen können wir berechnen, welche Wassermengen später in einer Stunde gefördert werden können“, erklärt Guido Blöcher. An Hand dieser Mengen kann die ebenfalls an dem Projekt beteiligte Berliner Erdgassoeicher GmbH dann abschätzen, ob sich eine Nutzung der Erdwärme an dieser Stelle rentiert.

Bis in die Tiefe von 550 m führen die Ingenieure und Techniker um den GFZ-Forscher Jan Henninges ein Messkabel in die Bohrung ein, dessen optische Fasern entlang der gesamten Länge der Bohrung auch die Temperatur messen. Pressen sie später die 100 Kubikmeter an der Oberfläche abgekühlten Wassers aus dem Muschelkalk, das sie bei diesem Versuch fördern wollen, in die Bohrung zurück, um so den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, beobachten die Forscher diesen Temperaturverlauf genau. Bleibt das Bohrloch an einer Stelle längere Zeit kalt, ist dort offensichtlich Wasser in die Umgebung eingedrungen. „Auf diese Weise können wir erkennen, wo sich durchlässige Gesteinsschichten entlang der Bohrung befinden“ erklärt Jan Henninges.

Eventuell kann man die Erkenntnisse später auch für die Energieversorgung im Berliner Umland nutzen, unter dem ebenfalls eine Muschelkalkschicht liegt.

Quelle: Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam

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(13.09.2020)