Mosaike aus Marmor und Glas, die Schlaglöchern in Stadtstraßen die Leere nehmen und vielleicht sogar einen Sinn geben

Street-Art von Jim Bachor.Street-Art von Jim Bachor.

Jim Bachor fand die Inspiration zu seiner Kunst bei Ausgrabungen in Pompeji und später vor seiner Haustür in Chicago

Mancher mag sich einfach über die ungewöhnlichen Ideen freuen, andere nehmen mit freudiger Ironie zur Kenntnis, dass sich endlich jemand um den Zustand einer Straße gekümmert hat: Jim Bachor füllt die Asphaltlöcher mancherorts in den USA mit seinen Mosaiken und treibt seine Street-Art so weit, dass er, nachdem er den Beton eine Nacht hat aushärten lassen, am nächsten Tag wiederkommt und von Hand noch den Zementschleier entfernt.

In seinen Aktionen steckt viel künstlerische Anarchie, und nicht immer hat Bachor bei der Stadtverwaltung angekündigt, dass er einem bestimmten Loch in ihrem Asphalt die Leere nehmen will. Verlässlich ist auf jeden Fall die Macht der roten Leitkegel, mit denen er seine „Baustelle“ sichert: gehorsam fahren die Autos drumherum und lassen ihn die Asphalt-Füllung vornehmen.

Bachor entdeckte seine Begeisterung für Mosaike, als er im antiken Pompeji ein Praktikum bei einer Grabung machte. Was ihn faszinierte, war, dass die kleinen Steinchen 2000 Jahre überdauert hatten und dass durch viele von ihnen Alltagssituationen von damals in den Rang der Ewigkeit erhoben wurden.

Auf seiner Webpage umreißt er in wenigen Worten sein künstlerisches Konzept: „Eine Spur von sich selbst zu hinterlassen fasziniert mich. Alte Geschichte fasziniert mich“.

Dass jedoch viele seiner kleinen Kunstwerke vom darüberbrausenden Verkehr beschädigt oder gar zerstört werden, scheint ihn kalt zu lassen. „Gone“ (weg) merkt er lapidar auf seiner Webpage zu vielen seiner Mosaike an.

Vielleicht, dass ihn der Verlust einer Arbeit nur dazu inspiriert, die nächste herzustellen.

Street-Art von Jim Bachor.

Unendlich ist das Repertoire seiner Motive: es reicht von Broccoli über Blumensträuße bis hin zu einfachen Nummern, die das jeweilige Werk benennen…,

Street-Art von Jim Bachor.

… andere rufen den Passanten geradezu etwas zu.

Bachor arbeitet wie die klassischen Mosaikkünstler: Marmor und Glas (Keramik) sind seine Materialien, und er bringt sie mit der Zange in die Formen, die er braucht. Im Keller seines Wohnhauses setzt er daraus die Mosaike zusammen, stabilisiert sie mit einem Netz und dann geht es zum Schlagloch des Tages.

Es wird penibel gesäubert, mit Beton aufgefüllt, das Mosaik kommt drauf, warmes Wasser hilft dem Beton beim Hartwerden. Zuletzt hebt er das Netz vorsichtig ab und säubert das Bild bis es glänzt.

Während, wie es uns scheint, sich jedes Motiv für Bachors Street-Art eignet, sind an ein Loch bestimmte Ausgangsbedingungen geknüpft: es darf nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein und seine Ränder brauchen Stabilität.

Vielleicht, dass die ausgewählten Löcher sich sogar freuen, wenn Bachor mit Sand, Zement, Wasser und einem Mosaik anrückt, ihnen ein Inlay verpasst und auf diesem Wege vielleicht sogar einen Sinn gibt.

Die Steinchen (Tesserae) sind größer als bei Mosaiken üblich. Besonderheit ist auch, dass die Fugen vergleichsweise groß sind. Das ist notwendig, damit der Beton als Bindemittel die Teilchen komplett umgeben kann.

Dass er als Mosaikkünstler viel mehr als nur solche Schnappschüsse der Gegenwart kann, zeigen die Auftragsarbeiten, die er auf seiner Webpage präsentiert.

Street-Art von Jim Bachor.Street-Art von Jim Bachor.

Besonders gefallen hat uns der Kopf einer Katze, die vom 1.Stock eines Hauses herabschaut, oder der „Librarian‘s Garden“ (Garten des Bibliothekars) für jemand, der Pflanzen und Bücher mochte.

Lang ist die Liste der Presseberichte und -videos, die er auf seiner Webpage zugänglich macht: er kam zu seiner Kunst, als es vor seinem Wohnhaus in Chicago ein Loch im Asphalt gab; woanders gab er einmal einer Zeitung ein Interview über eine fertige Arbeit, und dann kam gleich die Stadtverwaltung und riss das Mosaik wieder raus; in Finnland, wohin ihn ein Galeristen-Ehepaar eingeladen hatte, wurde bei einer Erneuerung der Straßendecke seine Arbeit sorgfältig entfernt und nachher sorgfältig wieder in den Asphalt eingesetzt.

Wandkunst von Jim Bachor.

Wir wollen noch auf seine Arbeit „Artsplash“ (als Abwandlung von backsplash – Spritzschutz) hinweisen: wer hätte bei sowas nicht Spaß sogar am Spülen?

Fotos seiner Arbeiten kann man auf der Webpage kaufen.

Jim Bachor

Fotos: Jim Bachor

Jim Bachor. Foto: Matt Bade

(23.09.2020)