Wie kann die Branche ihren Steinen das Image der Edelmetalle geben, die in Zeiten von Corona als „sichere Häfen“ einen Nachfrageboom erleben?
Seit dem Beginn der Coronakrise gibt es bei Gold und Silber einen Preissprung: schon im März 2020 hatte das Wall Street Journal beschrieben, wie Händler mit allen Mitteln versuchen, freie Chargen der Edelmetalle für den Verkauf zu bekommen, parallel dazu kann man beobachten, dass überall in den Städten die Läden für Goldankauf wieder geöffnet haben, und vielerorts sind in den Flüssen sogar schon Goldwäscher unterwegs.
Uns war aufgefallen, dass Naturstein mit Gold und Silber einige Gemeinsamkeiten hat: er ist schwer zu gewinnen, schwer zu bearbeiten und zudem extrem haltbar.
Das hat uns auf die Frage gebracht: Könnte die Natursteinbranche ihre Materialien analog zu den Edelmetallen als sicheren finanziellen Hafen für wohlhabende Privatleute vermarkten?
Zum Beginn unserer Betrachtungen eine Feststellung: Naturstein würde man als Investor nicht in Form von Rohblöcken lagern, wie es bei Gold oder Silber mit den Barren geschieht.
Bei Stein wäre das nur in Ausnahmefällen lukrativ, etwa wenn Firmen Restbestände ehemals viel verwendeter Sorten horten und darauf spekulieren, dass die Denkmalpfleger eines Tages danach fragen.
Das Beispiel macht aber deutlich, um was es geht, wenn die Gleichung Naturstein=Gold sich rechnen soll: es ist der Verwendungszweck.
Nur wenn die Branche Ideen für die Verwendung ihrer Steine mitliefert, kann das Konzept funktionieren. Dabei sind sich Naturstein und Edelmetall (und übrigens genauso Edelstein) ganz nah: die Verwendung wird im ganz weiten Sinne im Bereich des Schmucks liegen.
Das können im Fall des Steins Ideen zur Verschönerung etwa von Küche und Bad sein, genauso von Terrasse oder Garten. Jedoch: es müssen vernünftige und funktionelle Ideen sein, nicht der übliche wichtigtuerische Unsinn, mit dem sich viele Firmen präsentieren.
Passende Ideen sind schon auf dem Markt zu finden, ja, aber: sie werden nicht unter dem finanziellen Aspekt angeboten, sondern mit eher fraglichen Argumenten, etwa dass schon die alten Ägypter oder Griechen mit Stein gebaut haben oder dass Stein ein Geschenk von Gott an die Menschheit ist.
Aus der finanziellen Perspektive des Kunden betrachtet, sollte die Gleichung lauten: wer in Naturstein investiert, bekommt sein Geld spätestens dann zurück, wenn die Immobilie verkauft wird und dann einen höheren Preis erzielt. Das ist der Zinsertrag, den der Stein bringt. Dieses Kalkül war der Hintergrund des beispiellosen Nachfragebooms, den der Stein in den USA vor der Finanzkrise erlebte.
In Europa sind die Dinge etwas anders, weil dort die Besitzer ihre Immobilien weniger oft verkaufen. Aber auch für jemand, der große Teile seiner Lebenszeit im selben Haus oder Apartment zuhause ist, rechnet sich die Investition in Naturstein: die Zinsen sind hier emotional, indem die verschönerte Immobilie mehr Lebensfreude bereitet.
Und: die emotionalen Zinsen werden lebenslang ausgezahlt, denn am Stein sieht man sich nicht satt.
Neben diesen Investitionsmöglichkeiten in die Verwendung von Stein in Innenarchitektur und Architektur ist auch das Produktdesign ein interessanter Bereich für die Anwendung der Gleichung.
Einige Designfirmen haben sich schon auf dieses Feld verlegt: sie entwickeln Alltagsobjekte mit hohem künstlerischen Anspruch und vertreiben sie unter einem speziellen Markennamen.
Solche Objekte können, wenn sie zum Beispiel nur in limitierter Edition zu haben sind, wie Kunstwerke regelrechte Wertanlagen sein. Allerdings muss der Markenname bekannt sein.
Zusammenfassend: die Gleichung Naturstein=Gold kann eine Chance sein, das Material gegenüber den konkurrierenden Kunststeinen oder Keramiken aufzuwerten und es zudem für Investoren interessant zu machen.
Jedoch kann die Gleichung nur mit Leben gefüllt werden, wenn es zusätzlich zu einer schönen Steinsorte auch eine wertvolle Designidee gibt.
Wenn es um die Zielgruppe der Mittelschicht geht, muss dieses Design funktionell sein, so dass der Käufer das Objekt auch im Alltag benutzen kann. Künstlerische Höhenflüge sind allenfalls für die Zielgruppe der Reichen und Superreichen attraktiv.
Analog zum Geschäft mit Gold könnte der Slogan sein: „Naturstein ist eine Währung, die man nicht drucken kann.“
(15.10.2020)