Gebäude und Garten greifen die uralte Landschaft und deren Veränderung durch die Menschen während vieler Jahrtausende auf
Der Aga-Khan-Preis für Architektur ging im Jahr 2019 unter anderem an das neue Palästinensische Museum in der Ortschaft Bir Zeit auf der West Bank unweit von Ramallah. Der Preis wird alle 3 Jahre vergeben und prämiert nicht nur die gestalterische Leistung, sondern auch die positive Wirkung eines Bauwerks auf die kulturellen und sozialen Bedürfnisse der Menschen in der Umgebung.
Die Architektur kam von dem irländischen Büro Heneghan Peng Architects. Es bekam ein Preisgeld in Höhe von gut 16.000 US-$. Bauherr war die NGO Taawon-Welfare Association, die Menschen in der West Bank und im Gazastreifen und auch Flüchtlinge in Lagern im Libanon unterstützt.
Anliegen des Museums ist, das palästinensische Erbe zu fördern und „eine Kultur von Dialog und Toleranz zu bestärken“, wie das Aga Khan Development Network auf seiner Webpage schreibt.
Die Architekten haben sich für diesen Ansatz besonders von der Kulturlandschaft vor Ort inspirieren lassen. „Jedes Element dort ist angefasst worden und erzählt die Geschichte von Intervention, Produktion, Kultur, Umwelt und Handel“, schreiben die Architekten, und weiter: Die Gegend „hat die mehrfach überabeitete Qualität einer Stadt“.
Besonders die Terrassen überall an den Hängen haben die Architekten beeindruckt. Über Generation haben die Menschen die Steine zu Trockenkauern aufgeschichtet, und die so entstandenen Flächen für Ackerbau benutzt.
Das Museum selbst liegt auf einem Hügel mit großartiger Fernsicht. An den Hängen hat die jordanische Landschaftsarchitektin Lara Zureikat diese Terrassen nach den uralten Vorbildern neu aufbauen oder wieder herrichten lassen. Wenn man die Aufzählung liest, was jetzt dort gepflanzt wird, kann man die Begeisterung der Planer heraushören: „ Haine für Oliven, Granatäpfel, Feigen, Aprikosen, Mandeln, Johannisbrot und Walnüsse bringen bereits Früchte und Nüsse, darunter liegt ein dicker aromatischer Teppich aus Weizen, Kichererbsen, Minze, Za’atar, Salbei, Kamille, Jasmin und Lavendel.“
Tatsächlich war die Levante, so ein andere Name für die Region, in der Antike ein wahrer Garten Eden, als das Klima dort nicht so trocken war wie heute. Kürzlich haben Forscher herausgefunden, dass viel früher noch, als vor mehr als 100.000 Jahren die ersten Menschen sich aus Afrika nach Eurasien aufmachten, das fruchtbare Land als Sprungbrett in den Norden diente.
Auch das Museum selbst greift die Terrassen auf: aus der Vogelperspektive erkennt man seine Zickzack-Form, die sich in den winkligen Etagen am Hang fortsetzt.
Die Fassade ist mit Kalksteinplatten verkleidet. Auch das Dach trägt als oberste Schicht den Stein, der aus einem Steinbruch nahe Bethlehem stammt und der ehemals das bestimmende Baumaterial in der Region war. Die Fugen zwischen den Platten an der Fassade sind offen und deutlich sichtbar.
Eine der Besonderheiten der Konstruktion ergibt sich wieder aus der Region: die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben ist hier groß, da entlang des Jordantals 2 Erdplatten aneinanderstoßen.
Die Steinplatten an der Fassade sind mit besonderen Schienen an den Betonkörper angehängt. Teile dieser Betonstruktur sind so gelagert, dass sie sich im Fall von Erdstößen unabhängig voneinander bewegen können. Als Berater für die Fassade fungierte das französische Ingenieurbüro T/E/S/S.
Langgezogene Dreiecke sind die wichtigsten Formen in der Fassade, etwa im Fall der großen Glasfront. Vor die Scheiben sind dunkle Metallschwerter gesetzt, die unter anderem als Sonnenschutz dienen.
Ein Untergeschoss hat sich an jener Stelle im Baugrund ergeben, wo eine natürliche Vertiefung war. Vor dem Fenster dort liegt eine Art von Amphitheater, das dahinter in den Garten übergeht. Nah am Museumsgebäude sind die Pflanzungen übrigens sehr korrekt ausgeführt; hangabwärts und mit zunehmendem Abstand zum Gebäude verwildert die Anlage gewollt.
Das Gebäude hat das Umweltzertifikat LEED Gold erreicht, unter anderem für seine Wärmeschutzmaßnahmen sowie das Regen- und das Abwassermanagement.
Im Inneren tragen die Wände groben Putz, der weiß angestrichen ist.
Der Aga-Khan-Award wird seit 1977 vergeben und hat ein Preisgeld von insgesamt 1 Million US-$. Bewerben können sich Projekte aus der ganzen Welt, sofern Muslime in ihnen eine wichtige Rolle spielten sofern sie wichtig sind für die muslimische Welt. Dabei geht es besonders um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung dort. Bewerben können sich nicht nur Architekten, sondern auch Gemeinden, Bauherren, Ingenieure und Künstler.
Aga Khan Award for Architecture
Landscape Architect Lara Zureikat
Fotos: Aga Khan Award for Architecture
(29.10.2020)