Die Architektur des Büros Gerkan, Marg und Partner ist nicht spektakulär, aber funktional und strahlt ein wenig Heimeligkeit aus
Eine Weile machte mal ein Witz die Runde: eine der Besonderheiten von Berlin sei, dass dort nicht die Flüge Verspätung hätten – der ganze Flughafen sei verspätet.
Nun aber geht nach mehr als 20 Jahren Planungen, Bau und Nachbesserungen der Airport Berlin-Brandenburg, benannt nach Willy Brandt und im IATA-Code mit BER gekürzelt, endlich in Betrieb. Kurios: das geschieht nach den schier endlos langen Verzögerungen in einem Moment, wo wegen Corona der Luftverkehr nur noch sehr reduziert stattfindet und niemand weiß, wann und ob es wieder zu dem ehemaligen Transportvolumen von Abermillionen Fluggästen kommen wird.
Uns interessiert natürlich besonders die Verwendung von Naturstein. Dazu vorab eine Bemerkung zur Gesamtarchitektur im Terminal 1, wo die Passagiere ankommen und einchecken: die Planer des Büros Gerkan, Marg & Partner (gmp) haben für den BER keine großartige architektonische Geste an den Rand der Ortschaft Schönefeld gestellt. Etwa eine halbe Stunde dauert die Zugfahrt von der Berliner City.
Vielmehr hat man als Besucher den Eindruck, dass alles sehr einfach und übersichtlich ist, dass man leicht die eigenen Wege findet, ja dass es sogar eine gewisse Heimeligkeit gibt. Von einer „im besten Sinne deutschen Architektur“ schrieb die Kritikerin der Website Baunetz.
Das bringt uns zurück zu den Materialien und ihren Farben: es ist zum einen das Braun der Furniere aus französischem Nussbaum, das die Wände und Türen prägt, dazu kommt auf dem Boden das Gelb des Jura-Kalkstein. Vor der Gepäckaufgabe und den Passport-Checks gibt es noch kleinere Flächen mit dem dunkleren Kirchheimer Muschelkalk. Natürlich prägen auch Edelstahl und Glas das Gesamtbild.
Insgesamt wurden über 120.000 m² Naturstein verlegt. Das Raster der 3 cm dicken Platten beträgt im Regelfall 62,5 x 62,5 cm. Eine zusätzliche Gliederung geben Metalldehnfugenprofile; sie sind notwendig, damit sich die einzelnen Natursteinfelder bewegen können, insbesondere weil die Heizung beziehungsweise die Kühlung im Boden liegt.
Geliefert hat den Naturstein ein Konsortium mehrerer Firmen unter der Leitung von JMS (Jura Marble Suppliers). Bereits 2012 waren deren Arbeiten abgeschlossen; während der anschließenden Behebung der langen technischen Mängelliste in den folgenden Jahren lag der wertvolle Boden unter einer Abdeckung.
Wir meinen: es ist schön, in einem Flughafen mal etwas anderes als die üblichen kalten Granite zu finden. Jurakalkstein hat sich schon vielfach bewährt zum Beispiel in großen Malls.
Allerdings muss man die Reinigung richtig machen – das fängt an mit der Auswahl der Mittel und endet mit dem Rhythmus der Säuberung. Mit Jurakalkstein habe man hier „etwas Mehraufwand“, sagt Florian Billen, der die Flughafengesellschaft in Sachen Naturstein beraten hat, „aber das Entstehen von Laufzonen lässt sich mit den richtigen Reinigungszyklen gut vermeiden.“
Beim Betreten der Halle komme der Fluggast zudem durch große Sauberlaufzonen. Im Winter halten zusätzliche Matten das für Kalkstein gefährliche Tausalz fern.
Auch die Reinigungsmaschinen sind mit ihren Rädern und vorgeschriebenen Reinigungspads auf den Naturstein abgestimmt.
Einen auffälligen Kontrast zum hellen Kalkstein gibt der dunkle Belgische Blaustein. Er wurde vor allem für das Blindenleitsystem auf dem Boden verwendet. In den Toiletten findet man ihn unter anderem für die Waschtischplatten. Lieferant war die Firma Renier Natuursteen mit Sitz im belgischen Aarschot.
Die Terminalhalle ist 32 m hoch und misst 240 x 180 m. Sie liegt zwischen den beiden parallelen Start- und Landebahnen, die mit einem Abstand von 1.900 m zueinander unabhängig betrieben werden können.
Untergebracht im Terminalgebäude sind unter anderem die 8 würfeligen Inseln für den Check-In. Sie werden gelegentlich auch als „Häuser“ bezeichnet.
Bemerkenswert ist die Kompaktheit des Flughafens. Mit nur 2 Rolltreppen erreicht man vom Bahnhof im Untergeschoss die Abfertigungshalle.
Als Kunst am Bau gibt es unter anderem 5000 Geldstücke aus fernen Ländern, die in den Boden eingelegt sind und eine Art von Sternenhimmel zu den Füßen der Fluggäste zeigen. Die Idee stammt von dem Künstlerduo Stoebo. Unübersehbar in der Eingangshalle ist der „Fliegende Teppich“ von Pae White.
1998 hatten die Architekten von gmp die Planungen für den BER begonnen. 2012 sollte er eröffnet werden – bekam aber von der Aufsichtsbehörde keine Freigabe vor allem wegen Mängeln im Brandschutz. Knappe 4 Wochen vor dem Eröffnungstermin wurde die Inbetriebnahme abgesagt. Dann folgten 8 Jahre, in denen viele kuriose Mängel zutage kamen und einige Manager verschlissen wurden, bis die Mängel nun behoben sind und am 31. Oktober 2020 die Eröffnung erfolgt.
Ursprünglich sollten die Gesamtkosten für die Baumaßnahmen 2,5 Milliarden € betragen. Zuletzt waren es 5,9 Milliarden.
(30.10.2020)