Im Neubau „110 Rooms“ im alten Stadtteil Eixample in Barcelona haben die Architekten die wegweisenden Ideen der Planung aus dem 19. Jahrhundert modern umgesetzt

estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.

Das Team von Estudio Maio Architects entwarf Wohnungen mit variabler Zimmerzahl und eine Eingangshalle mit großen Naturstein-Körpern

„Dieses Projekt will das Erhaltenswerte aus der alten Bebauung von Eixample bewahren und betonen”, schreiben die Architekten des Estudio Maio Arquitects aus Barcelona. Eixample, gesprochen: laschampla, ist das nach 1850 im Zuge der Industrialisierung entstandene Stadtviertel, dessen Planung sich durch zahlreiche innovative Ideen auszeichnete. Damals nahm sich Ildefons Cerdà das regelmäßige Raster der US-Städte als Vorbild für seine Wohnblocks und sah in den Innenhöfen Grün und Freiräume vor (was infolge von Spekulation nicht realisiert wurde).

In unserem Fall geht es um den Neubau des Wohnhauses mit dem unscheinbaren Titel „110 Rooms“ in der Straße Provença, auf dem schmalen Gelände einer ehemaligen Hutfabrik. Schon das Erdgeschoss mit den Ausmaßen einer klassischen Eingangshalle ist außergewöhnlich gestaltet, eben weil die Architekten das alte Eixample bewahren wollten.

Ehemals zeichneten sich die Vestibüle der Wohnhäuser nämlich durch Repräsentation aus: vielfach waren rund um die weitläufigen Treppenaufgänge große und teure Möbelstücke platziert. Marmor war ein beliebtes Material für die Fußböden und Wände.

Die Architekten haben das nun auf ungewöhnliche Art und Weise in die Gegenwart geholt: aus den Dekorstücken haben sie große geometrische Volumina gemacht, die vom Boden bis zur Decke reichen.

estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.

Diese setzen Akzente nicht nur durch ihre Form, sondern auch durch ihre Farbe: das Volumen in Form eines Fünfecks ist mit gelbem Stein verkleidet und beherbergt das Ladengeschäft auf der Seite zur Straße; in einer Pyramide mit weißem Marmor liegt der Zugang zum Lift und zur Tiefgarage; ein Würfel mit dunkelgrünem Serpentinit verbirgt 2 Duplexwohnungen, und in einem rosa gestrichenen Zylinder führt die Treppe in die Etagen nach oben.

estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.

Außenwände gibt es nicht und die Architekten schreiben dazu: „Hier kann tatsächlich Regen reinkommen, so dass man die Halle als Erweiterung der Straße betrachten kann.“

Auf den 5 Stockwerken obendrüber liegen 110 Wohnräume, verteilt auf 4 Apartments pro Stock plus die 2 Duplexwohnungen.

Der Bezug auf das alte Eixample ist hier, dass diese Räume alle gleich groß sind und dass sie in unterschiedlicher Zahl zu Apartments zusammengefasst werden können.

estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.

Das ist möglich, weil der Zugang zu den Apartments über die Küche erfolgt und die Badezimmer an zentralen Punkten platziert sind. Indem Zwischenwände geöffnet oder geschlossen werden, lassen sich Räume an ein Apartment anschließen beziehungsweise davon abteilen. Das führt allerdings zu Durchgangszimmern, wie es sie schon in dem alten Eixample gab.

Das mag manchem ungemütlich erscheinen – jedoch bietet diese Flexibilität die praktische Möglichkeit, dass eine Wohnung mit den Bewohnern wachsen beziehungsweise auch kleiner werden kann. Aus Großstädten ist jenes Problem bekannt, dass Alte in für sie zu großen Wohnungen bleiben, weil bei einem ein Umzug infolge eines neuen Mietvertrags die neue kleinere Wohnung teuer wäre als die alte größere.

Die Apartments sind erreichbar durch einen inneren Kern mit Treppe und Lift. Er liegt in der Mitte des Gebäudes, so dass es für die Wohnungen auch auf dieser Seite Tageslicht gibt. Die beiden anderen Seiten schauen auf die Straße beziehungsweise in einem großen Hof mit viel Grün.

Estudio Maio Architects

Fotos: José Hevia

Zeichnungen: estudio Maio Architects

estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.estudio Maio Arquitects: „110 Rooms“, Barcelona.

(27.11.2020)