Berlin hat 3 neue U-Bahnhöfe und damit eine neue Verkehrsader vom Hauptbahnhof zum Alexanderplatz

Der Bahnhof Museumsinsel mit der Sternendecke. Foto: Peter Becker

Die neuen Stationen namens Unter den Linden, Museumsinsel und Rotes Rathaus sind mehr als bloße Zweckbauten / Verwendung von Granit, Muschelkalk und Terrazzo

Update: neue Fotos vom U-Bahnhof Museumsinsel

Berlin hat 3 neue U-Bahnhöfe, und es lohnt sich, sie in Augenschein zu nehmen. Sie heißen Unter den Linden, Museumsinsel und Rotes Rathaus, und die Architekten haben Bezüge zu den jeweiligen Orten an die unterirdischen Bahnsteige geholt. Naturstein gibt es als Wandverkleidung in einem von ihnen, Granit ebenso, Terrazzo in zweien. Im Bahnhof Unter den Linden fahren die Züge voraussichtlich bis Sommer 2021 nur durch.

„Lückenschluss“ hatten die Berliner Verkehrsbetriebe BVG das Projekt betitelt, zu dem die Grundlagen schon in den 1990er Jahren im Rahmen des Vertrages über die Haupstadtfinanzierung gelegt worden waren und das 2010 den Spatenstich erlebte. Das neue Gleisstück mit 2,2 km Länge verknüpft die alte U5 aus DDR-Zeiten, die aus Hönow am Stadtrand kommene am Alexanderplatz endete, mit der jungen U55, die am ebenfalls jungen Hauptbahnhof begann und bisher nur zur Station Brandenburger Tor führte.

Der Lückenschluss (gelb) in der Linie U5. Quelle: BVG

Verschiedene Aspekte der Verkehrsplanung waren bei dem Projekt wichtig, unter anderem, dass f nun die Innenstadt buchstäblich zusammenrückt. Außerdem gibt es auf dem Boulevard Unter den Linden eine Umsteigestation für die Linie U6, welche von Tegel im Berliner Norden nach Mariendorf im Süden führt und die mit der neuen Linie nun eine zusätzliche Anbindung in Ost-West-Richtung hat.

Dafür hat die U6 den Bahnhof Französische Straße eingebüßt. Der liegt nur ein paar Schritte vom Boulevard entfernt, bleibt zwar erhalten, aber ist geschlossen – man darf gespannt sein, wann es für ihn eine neue Nutzung geben wird, wie sie – naürlich – eine flugs gegründete Initiative schon vorgeschlagen hatte.

Der Bahnhof Unter den Linden. An der Wand Kirchheimer Muschelkalk. Foto: BVG / Antonio Reetz-Graudenz

Der Bahnhof Unter den Linden wird auf der Website der BVG als „Wissenschaftsbahnhof“ tituliert. Denn die Humboldt Universität (HU) liegt in unmittelbarer Nachbarschaft, und so war die Hochschule auch an der Gestaltung der Wände an den Gleisen beteiligt: „Von der Stadt geht es über Meer & Eis bis hin zur Atmosphäre. Dabei wird zum einen die schwarz-weiße Optik von Boden und Säulen aufgenommen, zum anderen werden neonfarbene Akzente gesetzt.“

Wimmelbild und Wortwolke im Bahnhof Unter den Linden. Foto: BVG / Oliver LangDas Ganze ist in Form von Wimmelbildern mit Wortwolken aus Zitaten von Humboldt-Wissenschaftlern gestaltet. Übergreifendes Thema ist das Anthropozän, also das vom Menschen geprägte geologische Zeitalter.

Der Bahnhof Unter den Linden. An der Wand Kirchheimer Muschelkalk. Foto: BVG / Oliver Lang

Die übergreifende Gestaltung des Bahnhofs hatten die Architekten Ingrid Hentschel und Professor Axel Oestreich inne, die bereits die beiden nachfolgenden Bahnhöfe bis zur Endstation am Hauptbahnhof gestaltet hatten. Deshalb wurden hier wie dort die gleichen Materialien verwendet: „Kirchheimer Muschelkalk für die Wände, weißer Terrazzo für die Fußböden und dazwischen schwarze, tragende Säulen“, laut BVG. Wohlgemerkt: es ist die Rede von der U-Bahn-Station im Hauptbahnhof, nicht vom Hauptbahnhof selbst.

Zugang zum U-Bahnhof Museumsinsel, gegenüber vom Zeughaus. Foto: Peter BeckerAls „Kulturbahnhof“ fungiert die Station Museumsinsel – wie könnte es anders sein, liegen dort doch das Deutsche Historische Museum, der Berliner Dom, die Staatsoper und neuerdings auch das Humboldtforum im wieder aufgebauten Schloss. Friedrich Schinkel (1781-1841) hatte viele preußische Architekten bei ihren Bauten in der Umgebung beeinflusst, und war es klar, dass er sich im Bahnhof wiederspiegeln sollte.

Der Architekt Max Dudler, der gerne Naturstein verwendet und das etwa bei der neuen Bibliothek der Humboldt Universität schon gezeigt hat, widerstand der Versuchung, einen Abklatsch der steinernen Fassaden in den Bahnhof zu holen. Vielmehr brachte er ein Bühnenbild des alten Meisters an die Decke über den Gleisen, nämlich dessen Idee für eine Aufführung von 1816 von Mozarts Zauberflöte. „So mutet die gewölbte Bahnhofsdecke in dunkelblau mit 6.662 Lichtpunkten wie ein Sternenhimmel an“, heißt es auf der Webpage der BVG. Die Punkte sind nicht aufgemalt, sondern LED-Leuchten am Ende von Glasfaserkabeln.

Der U-Bahnhof Museumsinsel. Foto: Peter BeckerAn den Wänden an den Gleisen, auf dem Boden und auch in den Treppenaufgängen wurde Kösseine-Granit aus dem Fichtelgebirge verlegt.

Pilzsäulen im Bahnhof Rotes Rathaus. BVG / Oliver Lang

An der Station Rotes Rathaus hätte man viel erzählen können zur Geschichte der Stadt, etwa zum permanenten Streit der Bürgerschaft mit dem Kaiser (woher der Name des Backsteingebäudes rührt) bis hin zur Rolle der Stadt im Nationalsozialismus. Wäre die Station aber als „Politikbahnhof“ konzipiert worden, hätte das den Berlinern von Seiten der Bundespolitiker wohl den Vorwurf der Großmannssucht eingebracht.

So haben die Architekten vom Büro Collignon es bei einem Bezug zur lokalen Geschichte belassen: die 7 Stützen in der großzügigen Bahnsteighalle erinnern an Deckengewölbe des mittelalterlichen Berliner Rathauses, von dem Reste bei Grabungen vor Baubeginn entdeckt worden waren.

Der Bahnhof Rotes Rathaus mit Terrazzofliesen an den Wänden. Foto: BVG / Antonio Reetz-Graudenz

Wie hoch aufragende Pilze sind die Stützen in der Bahnsteighalle gestaltet. Besonderheit beim Bau war, dass die Köpfe der Stützen zusammen mit der Decke in einem Stück gegossen wurden; die Säulen darunter wurden erst später von unten eingesetzt. Dennoch tragen sie einen Großteil der Last der Decke, wie die BVG schreibt. Boden und Wände sind in schwarzem und weißem Terrazzo gestaltet. Von den über 3.000 Terrazzoplatten an den Wänden sind fast die Hälfte Einzelstücke.

Wie hoch aufragende Pilze sind die Stützen in der Bahnsteighalle gestaltet. Besonderheit beim Bau war, dass die Köpfe der Stützen zusammen mit der Decke in einem Stück gegossen wurden; die Säulen darunter wurden erst später von unten gegossen. Dennoch tragen sie einen Großteil der Last der Decke, wie die BVG schreibt. Boden und Wände sind in schwarz-weißem Terrazzo gestaltet. Von den über 3.000 Terrazzoplatten an den Wänden sind fast die Hälfte Einzelstücke, zudem sind viele gerundet, was bei der Installation extreme Anforderungen stellte.

Offen ist bisher, ob das so genannte Archäologische Fenster installiert wird. Der Architekt hatte es als Kanzel in einem der Ausgänge vorgesehen, von wo aus man in die Tuchhalle des Rathauses aus dem Mittelalter hätte hineinschauen können. Jenes Gebäude, so schrieb die Berliner Zeitung in einem Interview mit dem Landesarchäologen, stand für den einstigen Reichtum der Stadt und für die große Rolle, die die Kaufmannschaft in ihr spielte. In jener Halle, 2 Stockwerke unter dem Boden, wurden wertvolle Güter gelagert. Eine Etage darüber gab es eine weitere Lagerhalle, darüber folgte der Festsaal für die politischen Geschäfte.

Kennzeichen der Bahnhöfe ist, dass sie, anders als sonst in Berlin üblich, mehr als bloße Zweckbauten sind. Die Gesamtkosten werden auf 525 Millionen € beziffert.

Kennzeichen der Bahnhöfe ist, dass sie, anders als sonst in Berlin üblich, mehr als bloße Zweckbauten sind.

Teilweise überrascht die Höhe der Räumlichkeiten, die da in den Berliner Untergrund gestellt wurden. Ihr Bau und der der beiden Tunnellinien verlangte technische Höchstleistungen: teils musste der Boden vereist werden, weil die Strecke unter dem Spreekanal hindurch führt, dann fand sich vor der Bohrmaschine plötzlich ein gewaltiger Findling aus den Zeiten der Eiszeit, es musste im Spezialtiefbau mit Betonkästen gebaut werden, da das Grundwasser hier nur 2 bis 3 m unter der Oberfläche steht, und nicht zuletzt waren zahllose Rohre und Leitungen für Wasser, Strom, Telefon und vieles mehr aus dem Weg zu räumen und danach wieder zu verknüpfen.

Projekt „Lückenschluss“ der Berliner U5

Das Buch zum Tunnelbau: „Ein neuer Tunnel durch Berlin. Die U5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor“. Reetz-Graudenz. Antonio Jaron Verlag. ISBN/EAN: 9783897738775

Die neue Tunnelstrecke geht auf und ab. Foto: BVG

(05.12.2020)