Gegensätze sind für die Künstlerin aus Italien ein wichtiger Bestandteil unserer Welt und der menschlichen Existenz
Simona de Lorenzo hat ein Faible für die großen Formen aus Stein. Dabei geht es der italienischen Bildhauerin weniger darum, sich an dem harten Material zu messen, auch wenn einige der Fotos auf ihrer Webpage zeigen, wie sie mit viel Körpereinsatz zur Sache geht. Vielmehr bieten die großen Formen viele Möglichkeiten der Kommunikation, wie sie in einer Mail schreibt: „Ich habe mehr und mehr Interesse daran gefunden, weil hier die Skulptur in einen Dialog mit der Umgebung gestellt wird, mit der Stadt und der Natur, mit dem Licht und dem Boden, und mit den Leuten.“
„Stein ist schließlich eines der besten Materialien für draußen“, fügt sie hinzu.
In vielen ihrer Arbeiten macht sie Dualiät zum Thema, die für sie ein wichtiger Bestandteil unserer Welt und der menschlichen Existenz ist. „Ich mag es, die Widersprüche auszudrücken: Marmor ist hart, verlangt einige physische Anstrengung in der Bearbeitung, aber danach kann er zerbrechlich und zart sein, von rau zu glatt, von hart zu weich, von massiv zu fein“.
Wie ihre Skulpturen für drinnen zeigen, versteht sie sich aber auch die kleinen Formen. Das zeigen zum Beispiel die Sirenen, die sie auch in Bronze erstellt und nur auf einem Stein platziert. Hier lebt die Idee des Gegensatzes wieder auf.
Mehrfach hat sie diese mythischen Figuren aus der antiken Sagenwelt behandelt, nach denen Frauenstimmen die Seefahrer verzücken und auf die Klippen vor der Küste locken.
In ihren Licht-Skulpturen wird der Stein sogar durchscheinend.
Simona de Lorenzo wurde in Neapel geboren. Unsere Frage, ob es Vorbilder gegeben habe, beantwortet sie mit einem Augenzwinkern: „Mein Vater war Journalist, meine Mutter Lehrerin – sonst gab es keine Künstler in der Familie.“ Die Eltern schickten sie auf ein Gymnasium mit künstlerischem Schwerpunkt. „Ich kann ihnen gar nicht dankbar genug sein.“
In der Stadt, wo sie aufwuchs, gab es rund um sie herum ein großes kulturelles Erbe, etwa griechische Skulpturen oder Meisterstücke wie den „Cristo velato“ von Guiseppe Sanmartino. Als Teenager arbeitete sie in einem Betrieb für Grabmalkunst, und „es war Leidenschaft von Anfang an“.
Später ging sie zum Studium nach Carrara, wo sie heute lebt. Von dort aus hat sie in den vergangenen Jahren an zahlreichen Bildhauersymposien auf der ganzen Welt teilgenommen.
Ihr letztes Symposium war das Künstlertreffen im Minqin Desert Sculpture Park in China. Am Rande der Wüste dort war die Umgebung natürlich eine ganz besondere – „faszinierend und inspirierend“, schreibt sie. Aus praktischen Gründen entschied sie sich für Stahl statt Stein als Material, und deshalb sind auch die Augäpfel nicht aus rotem Stein sondern aus bemaltem Stahl.
Einladen will sie mit dieser Arbeit die zahlreichen Besucher in diesem neuen Kulturzentrum in China, die Welt mit besonders aufmerksamen Augen in den Blick zu nehmen.
Fotos: Simona de Lorenzo
(07.12.2020)