Die mehr als 200 Vorträge in Kurzfassung geben den aktuellen Forschungsstand zum Erhalt wichtiger Zeugnisse aus alten Kulturen weltweit wieder
Der 14. Internationale Kongress über Restaurierung und Schutz von Natursteindenkmalen (14. International Kongress on the Deterioration and Conservation of Stone), geplant im September 2020 in Göttingen und Kassel, fiel zwar aus, aber inwischen liegen die Fachvorträge von mehr als 500 Wissenschaftlern aus 27 Ländern vor. Sie geben den aktuellen Stand der Forschungen zum Erhalt wichtiger Zeugnisse aus uralten Kulturen weltweit wieder.
Die Themenblöcke waren:
* Charakterisierung von Schäden an Natursteinen, Mörtel, Putzen,
Steinergänzungsmassen etc.,
* Zerstörungsarme und zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden zur
Zustandserfassung und Maßnahmenkontrolle,
* Monitoringsysteme und Langzeit-Monitoring,
* Simulation und Modellierung von Schadensprozessen,
* Konservierung und Restaurierung von Naturstein,
* Mörtel und Naturstein im Mauerwerksverbund,
* Überprüfung der Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit von Maßnahmen,
* Natursteinverwitterung unter Umwelteinfluss und deren Auswirkungen,
* Digitalisierung, Dokumentation und digitale Rekonstruktion in der
Steinkonservierung,
* Biologische Einflüsse auf den Natursteinzerfall,
* Fallbeispiele/Modellvorhaben.
Wir haben willkürlich 3 Vorträge herausgegriffen, um die Bandbreite der Themen zu zeigen. Die beiden ersten zählten zu den Keynote Lectures des Kongresses. Wir nennen immer nur den 1. Autor des jeweiligen Beitrags.
Professor Rolf Snethlage (Universität Bamberg) erläutert in seinem Beitrag das Konzept einer „Risiko-Zahl“: sie beschreibt, wie hoch die Dringlichkeit für Schutzmaßnahmen an einem Denkmal im Außenraum ist. Solch eine Bewertung wäre wichtig, um Geldgeber zu überzeugen und gleichzeitig die am meisten gefährdeten Objekte mit Vorrang zu schützen.
Snethlage hat eine Gleichung erstellt, in der aktuelle Schadensanalysen mit Voraussagen über das Voranschreiten der Schäden zusammengebracht werden. Mit Hilfe der Risiko-Zahl lässt sich durch Modellrechnungen zum Beispiel auch ermitteln, wie viel Wirkung man sich von bestimmten Maßnahmen erhoffen kann.
Dr. Véronique Vergès-Belmin (Champs-sur-Marne) schreibt über die Schäden an der Pariser Kathedrale Notre-Dame nach dem großen Feuer im April 2019. Eine der Herausforderungen ist, für die zerstörten Steine Ersatz zu finden. Zwar war im Rahmen von Restaurierungen während der letzten 50 Jahre ein Register der Steinbrüche erstellt worden, aus denen Material für das Weltkulturerbe gekommen war. Aber: „Der Bedarf an großen Gesteinsblöcken für die Schadensbehebung an dem im Mittelalter verbauten Eozänen Kalkstein verlangt eine Bestandsaufnahme der Verfügbarkeit. Dazu gehört die Erfassung aller historischer Steinbrüche und notfalls die Neueröffnung von Kalksteinbrüchen für die Restaurierungsarbeiten.“
Ein besonderes Thema bei der Restaurierung ist die Belastung durch Blei, das ehemals die Steine zusammenhielt und das beim Brand in Form von „Mikrometer großen Staubteilchen unregelmäßig über die Oberflächen verteilt wurde.“
Professor Ákos Török (Budapest) hat vulkanische Tuffe aus Ungarn, Deutschland, Armenien und Mexiko untersucht. Diese Materialien wurden ehemals vielfach für Bauten und Kunstwerke verwendet, weil sie leicht zu transportieren und leicht zu bearbeiten sind. Paradebeispiel hierzulande ist die Abtei von Maria Laach in der Eifel. Die Untersuchungen zeigten, dass die Gesteinsvarianten sehr unterschiedliche Eigenschaften haben. So hat der Tuff zwar – trotz seiner vielen Poren – generell eine hohe Zugfestigkeit, jedoch kann diese mit der Aufnahme von Wasser stark nachlassen.
Auch unterscheiden sich die Gesteinsvarianten sehr hinsichtlich ihrer Beständigkeit gegenüber Forst und Salz. „Die Unterschiede hängen nicht nur mit der Porosität zusammen, sondern auch mit der Größenverteilung der Poren und dem Gefüge. Diese Faktoren wiederum sind abhängig von der Entstehung des Materials, etwa beim Erkalten der Gesteinsschmelze“, heißt es im Fazit.
Für Leser aus dem deutschen Sprachraum besonders interessant sind Themen etwa zu der Frage, wie man die Marmorfiguren auf der Berliner Schlossbrücke winterfest machen kann, ohne dass sie für Monate in Holzkisten verschwinden. Ein anderer Beitrag in dem Buch analysiert am Beispiel der Statuen von Generalen aus den Befreiungskriegen, wie Ultraschallmessungen zerstörungsfrei den Zustand des Steins offenlegen.
Prof. Katja Sterflinger aus Wien beschäftigt sich mit dem Problem des biologischen Bewuchses. Mikroorganismen findet man überall auf der Welt: Jeder Stein, jedes Stück Boden ist von Bakterien, Pilzen oder etwa Flechten besiedelt. Und auch vor von Menschen genutzten Materialien und Orten machen sie nicht halt. Vermeiden könne man die Alterung der Materialien als Folge von Mikroorganismen zwar nicht, so die Expertin, jedoch zeigte sie Wege auf, wie man Zerstörung, Verfärbung oder Schimmelbefall vorbeugen oder beheben kann.
Dr. Timothy Wangler von der ETH Zürich beschäftigt sich mit dem Problem der hygrischen Dehnung von Sandsteinen. Diese lässt einige Sorten bei Feuchtigkeit schwellen, umgekehrt kommt es beim Trocknen zu Schrumpfungen. Dieses Wechselspiel führt zu einem raschen Zerfall solcher Kulturschätze, da sich in der Folge Risse bilden, die zu einem Verlust an Stabilität führen. Dieser Prozeß tritt dann häufig auf, wenn der Stein Tonmineralen wie den Smectit enthält.
Der Kongress mit dem Titel „International Congress on the Deterioration and Conservation of Stone“ sollte eigentlich vom 07. bis 12. September 2020 an den Universitäten Göttingen und Kassel stattfinden, musste jedoch wegen Corona abgesagt werden.
Die Veranstaltung wird alle 4 Jahre in einer anderen Stadt ausgerichtet: erster Schauplatz war 1972 La Rochelle, es folgten Athen, Venedig, Louisville, Lausanne, Torun, Lissabon, Berlin, Venedig, Stockholm, Torun, New York und Paisley. Veranstalter ist das International Scientific Committee for Stone (ISCS), eine Unterabteilung des International Councils on Monuments and Sites (ICOMOS), das die Welterbekommission der Unesco berät.
Die Federführung diesmal hatten die Professoren Siegfried Siegesmund (Universität Göttingen) und Bernhard Middendorf (Universität Kassel). Der kürzlich verstorbene Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann hat ein Grußwort zum Kongressbericht beigesteuert. Sponsoren waren die Deutsche Bundestiftung Umwelt (DBU), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie die Firmen Kärcher, Remmers, Tubag, Focus GmbH und IBZ Salzchemie.
Anmerkung der Redaktion: wie der Stein, um den es in den Beiträgen geht, ist auch die Publikation gewichtig: sie bringt 4,1 kg aufs Bücherregal. Das schlägt sich auch in der Dicke des Buches nieder: 6 cm, mehr als 2 Bände Karl May.
Kongress „Monument Future – Decay and Conservation of Stone”
(18.12.2020)