Inzwischen ist der Streit auf der juristischen Ebene angekommen und wird der Rücktritt von Präsident Reinaldo Sampaio gefordert
Seit einiger Zeit grummelt es in Brasiliens Natursteinbranche, und im Januar und Februar 2021 kam es zu offenen Unmutsäußerungen, so dass eine Zeitung sogar von „Rebellion“ schrieb – dies allerdings nicht, weil wegen Corona der Karneval im Land abgesagt werden musste. Vielmehr sind die Exporteure unzufrieden mit der Arbeit des Dachverbandes Abirochas, und zuletzt hatte es einen Offenen Brief (siehe unten) und Einstweilige Verfügungen vor Gericht gegeben.
Im Wesentlichen geht es darum, dass die Exporteure sagen, der Dachverband würde zu wenig für sie tun. Konkret lauten die Vorwürfe, seit gut einem Jahrzehnt hätte es bei den Ausfuhren keine Steigerungen mehr gegeben, und, mehr noch: es gäbe eine Monokultur bei den Zielländern. Die ist wird seit Jahren selbst in den Verbandsstatistiken „Informe“ von Abirochas beklagt: für verarbeitete Produkte hat das Land fest ausschließlich die USA.
Die Entscheidungsträger bei Abirochas seien nicht interessiert, neue Märkte aufzutun, lautet der Kern der Klage.
Sortieren wir die Dinge.
1998 wurde Abirochas (Associação Brasileira de Rochas Ornamentais) als Dachorganisation der Naturstein-Verbände der einzelnen Bundesländer gegründet.
Die Länder-Verbände, die im Rat von Abirochas sitzen, haben meist ähnliche Namen und tragen als regionale Kennung ein Kürzel: Sindirochas-ES zum Beispiel ist der Verband des Bundesstaates Espírito Santo, Sinrochas-MG der von Minas Gerais, Simagran-CE der aus Ceará und Sincocima-RJ der aus Rio de Janeiro.
Damit haben wir schon die Hauptfiguren auf der Kritikerseite genannt: diese 4 Verbände sind nämlich mit Abstand die Big Player in der Steinbranche des Landes: bei der Steingewinnung machen sie 85% aus, bei den Exporten sind es 96%.
Der Streit hat sich in den letzten Monaten zugespitzt, inzwischen fordert das Quartett der Kritiker, dass Abirochas-Präsident Reinaldo Sampaio zurücktritt. Er leitet seit 10 Jahren den Dachverband.
Unter anderem wollen die Kritiker Änderungen in den Statuten von Abirochas.
Nicht zuletzt geht es dabei auch um die Gelder der staatlichen Organisation für Exportförderung, APEX. Die hat nämlich bisher die Aktionen von Abirochas unterstützt. Unter anderem handelte es sich um Auftritte auf Messen, um Einkäufer-Programme für ausländische Interessenten oder um die Markenkampagne „Brasil Original Stones“.
Einer der Vorwürfe an Abirochas lautet hier: trotz der staatlichen Gelder konnte Abirochas nicht erreichen, dass Brasiliens exklusive Steinorten auf den Märkten weltweit wirklich Fuß fassten. Die einzige Ausnahme sind die USA.
Die Rede ist dabei zum einen von den exotischen Graniten („Exóticos“ und „Superexóticos“), die nur in Brasilien abgebaut werden, und neuerdings auch den weißen und auch bunten Quarziten, an denen Brasilien eine unvergleichliche Vielfalt hat. Gerade diese Quarzite erleben in ihren weißen Varianten derzeit eine großen Nachfrage weltweit.
Jedoch: kaum ein Einkäufer und schon gar nicht die Architekten weltweit wissen um Brasiliens Alleinstellung bei diesen Sorten. Bildlich ausgedrückt: die Welt war nie in Aufregung um diese Steine.
Das schlägt sich, so die Kritiker, eben darin nieder, dass Brasiliens Exporte nach anfänglichen Steigerungen durch Abirochas seit 2008 keine größeren Steigerungen mehr erzielten und seitdem um die 980 Millionen US-$ pro Jahr dümpeln.
Manche der Kritiker von Abirochas befürchten, dass sich mit den Quarziten das Debakel der Exóticos von vor 10 Jahren wiederholt.
Inzwischen gab es ein Treffen von rund 80 der größten Exportfirmen, und sie brachten Centrorochas als neuen Player ins Spiel. Das ist eine andere Organisation für den Export von Naturstein. Es gibt sie schon länger, und nach dem Wunsch der Kritiker soll das Geld von APEX künftig an diese Organisation gehen. Oder zumindest ein Teil davon.
Etwas Vergleichbares hatte es vor einiger Zeit schon bei Obst gegeben: dort waren die Exporteure mit Ibrafrutas unzufrieden gewesen und hatten Abrafrutas gegründet, das nun offiziell gegenüber dem Staats als Branchenvertretung auftritt.
Centrorochas hat gerade abgekündigt, eine Marktanalyse für die Vereinigten Arabischen Emirate zu erstellen. Man will herausfinden, wo genau Brasilien dort die besten Chancen hat und mit welchen Produkten.
Wir kommentieren: vielleicht steckt in der Mitwirkung von Centrorochas schon die Lösung des Problems. Schauen wir in die Türkei: dort hat die Natursteinbranche ebenfalls 2 Verbände (IMIB und EIB), die miteinander um die Finanzmittel des Staates konkurrieren müssen. Die Vergabe der staatlichen Mittel verläuft so, dass Markforscher im Auftrag des zuständigen Ministeriums konkrete Zielsetzungen formulieren – der Verband mit dem überzeugendsten Konzept für die Umsetzung bekommt den Zuschlag.
Nach einer Zeit werden die Erfolge überprüft.
Noch ein Kommentar zu dem Streit in Brasilien: ein Problem der nicht-steigenden Exportzahlen und der fehlenden Markenstärke wird zweifellos von den Exporteuren selber verursacht. Denn die oben genannten Sorten, die nur Brasilien hat, werden in großer Menge von den Firmen als Rohblöcke exportiert – verarbeitet werden sie dann zum Beispiel in China oder Italien und kommen von dort mit neuen Bezeichnungen und als Produkte mit höheren Wert auf die Märkte im Westen zurück.
Abirochas (portugiesisch)
Centrorochas (portugiesisch)
Initiator des Offenen Briefs war Carlos Rubens A. Alencar, Präsident des Verbands von Ceará und Initiator der noch jungen Natursteinmesse in Fortaleza, CE. Download auf Englisch.
(10.03.2021)