(November 2010) Damals hatte sich Charlottenburg noch einmal richtig ins Zeug gelegt: In den Jahren 1907 bis 1908 ließ das Städtchen sich einen repräsentativen Zugang errichten, gelegen am einen Ende des Tiergartens und damit demonstrativ dem Zugang zur Stadt Berlin mit dem Brandenburger Tor gegenüber. Zu der Anlage gehörten auch 22 Meter hohe Lichtsäulen (Kandelaber), deren Bogenlampen damals das, was Preußens Hauptstadt an künstlichem Licht zu bieten hatte, weit überstrahlten.
Die Anlage mit dem Namen Charlottenburger Tor an der heutigen Straße des 17. Juni wurde kürzlich denkmalgerecht rekonstruiert. Zum Einsatz kam der originale Ettringer Tuff, geliefert von der Firma Kalenborn, mit dem der gemauerte Kern der Säulenbögen im Tor, der Brückenbalustraden und der Kandelaber verkleidet ist. Die Restaurierung an Tor und Brücke führte Nüthen Restaurierungen aus.
Der Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Kandelaber oblag Opus Denkmalpflege. Besonderheit ist, dass die vorgesetzte Natursteinhaut aus Tuff nach neuesten Erkenntnissen ausgeführt wurde. Anders als früher sorgt nun eine Hinterlüftung dafür, dass der Stein, der extrem in Sachen Wasseraufnahme ist, diese Feuchtigkeit auch wieder abgeben kann. Die dafür geschaffenen Lüftungsfugen sind kaum zu sehen, sorgen jedoch für einen Kaminzugeffekt hinter der steinernen Schale. Beteiligt an den Arbeiten war auch die Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM).
Der niedrige Sockel der Kandelaber bestand ehemals aus rotem Beuchaer Granitporphyr, aus dem auch große Teile des Völkerschlachtdenkmals errichtet sind. Allerdings wird der Stein heute nicht mehr abgebaut. Glücklicherweise fand die Restaurierungsfirma einen Block der grünen Variante, der dann zum Einsatz kam.
Besonders auffällig an den Säulen ist in mittlerer Höhe der Symbolschmuck aus einem gelblichen Material. Die Motive erinnern an römische Galeeren, zeigen Seepferdchen als Galionsfiguren und stellen symbolisch einen Bezug zum Landwehrkanal her, der unter die Brücke die Anlage quert. Das Material ist ein extra für diesen Zweck von Opus Denkmalpflege entwickelter Bildhauerbeton mit hoher statischer Belastbarkeit, Wasser abweisenden Eigenschaften und stark an Naturstein erinnernder Oberfläche. Beteiligt war auch hier die BAM.
Die Restaurierung der Anlage kostete 4 Millionen €. Nach Angaben der Stiftung Denkmalschutz kam das Geld über die riesigen Werbeposter herein, die während der Bauzeit an den Gerüsten hingen.
Schlecht war die Dokumentenlage für die Rekonstruktion. Teils musste auf ein Modell der Anlage zurückgegriffen werden, das 1910 auf der Weltausstellung in Brüssel gezeigt worden war und das sich heute im Deutschen Technikmuseum in Berlin befindet. Teils behalfen sich die Restauratoren mit Postkartenfotos.
Berlin überstrahlen
Werfen wir noch einen kurzen Blick in die Geschichtsbücher. Als Charlottenburg nämlich sein Tor baute, war es noch eine jener Umlandgemeinden wie auch Steglitz, Köpenick oder Schöneberg, denen Berlin seit der Gründerzeit zwar schon sehr nahe gekommen war, die aber noch sehr auf ihre Eigenständigkeit bedacht waren. Erst 1920 wurden sie zu Groß-Berlin eingemeindet, das schon weitgehend die Umrisse der heutigen Stadt hatte. Zeugnis dieser Eingemeindung ist die Tatsache, dass jeder heutige Bezirk von Berlin seine eigene Berliner Straße hat. Über sie war die preußische Hauptstadt ehemals am schnellsten zu erreichen.
Charlottenburg war damals ein besonderes Juwel unter den Umlandgemeinden. Nicht nur hatte es sein eigenes Hohenzollernschloss, das sich gegenüber dem Stadtschloss in Berlin nicht zu verstecken brauchte. Auch war es wirtschaftlich stark und die reichste Gemeinde Preußens.
So konnte man sich auch die Kandelaber mit den Bogenlampen leisten. Die Leuchten müssen außergewöhnlich stark gewesen sein, denn Zeitgenossen berichteten, dass man sie schon von weitem sah.
Tormuseum im Charlottenburger Tor