Die innovative Technologie wurde vielleicht nicht im Nahen Osten entwickelt, wie bisher vermutet
Die weltweit ältesten Spuren von Rädern und Wagen wurden auf einem der größten Megalith-Friedhöfe Europas bei Kiel wurden gefunden: Die Linien im Boden, etwa 3400 Jahre vor unserer Zeitrechnung entstanden, finden sich auf einem Gräberfeld bei Flintbek, auf dem sich dutzende Grabmonumente aus der Jungstein- und Bronzezeit sichelförmig aneinanderreihen.
Dort entdeckten Archäologen die beiden unscheinbaren braunen Linien. Bei genaueren Untersuchungen stellten sie fest, dass die Breite dieser Verfärbungen genau mit der Breite von jungsteinzeitlichen Holzrädern übereinstimmt, wie sie unter anderem in den Mooren Norddeutschlands gefunden worden waren.
Weiterhin entsprechen die Abstände der beiden Linien zueinander genau der Achsbreite jungsteinzeitlicher Wagen. Die Forscher sehen darin einen eindeutigen Beweis dafür, dass die Strukturen im Boden durch die die damals neue Nutzung von Rädern und Wagen in der so genannten Flintbeker Sichel entstanden.
Damit findet sich in Flintbek der früheste Nachweis dieser Innovation, die in vielen anderen Regionen Europas und Südwestasiens erst später anzutreffen ist. Die Technologie wurde somit vielleicht nicht im Nahen Osten erfunden, wie bislang angenommen.
Megalith-Friedhof
Bereits vor um etwa 3800 v.u.Z. wurde das das auf Grund seiner Form als Flintbeker Sichel bezeichnete Gebiet für Bestattungen genutzt. Archäologen fanden dort bei Ausgrabungen sieben sogenannte Langbetten, steinzeitliche Großsteingräber, sowie 14 Grabhügel.
Zu dieser Zeit erbauten die Menschen zunächst die Langbetten, die sie durch sukzessive Anbauten kontinuierlich vergrößerten. Während der frühen Phase errichteten sie zudem Grabhügel mit kleinen Steinkammern, sogenannte Dolmen.
500 Jahre später, um 3300 v. u. Z., verändert sich die Architektur. Man begann, die Toten in Ganggräbern zu bestatten, großen Steinkammern mit ebenfalls aus Stein gebauten Zugängen, die fortan für viele Jahrhunderte als kollektive Bestattungsorte dienten. Professorin Doris Mischka vermutet, dass hier Familien aus verschiedenen Gebieten jeweils ihren eigenen Begräbnisplatz hatten. Die Flintbeker Sichel wäre somit das rituelle Zentrum für die ganze Region.
Mischka, Doris, 2022. Das Neolithikum in Flintbek. Eine feinchronologische Studie zur Besiedlungsgeschichte anhand von Gräbern. Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung 20. Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH (Bonn 2022).
Quelle: Universität Kiel
(17.05.2022)