Die Else-Kröner-Fresenius Stiftung als Bauherr wollte mit der Gestaltung durch die Architekten von Tek To Nik an die Geschichte des Fresenius-Medizinkonzerns erinnern
Das Grundstück ist so geschnitten, wie man sich ein Gelände in einer mittelalterlichen Stadt vorstellt: vorne nur 10 m breit, dann 45 m tief und am anderen Ende in der Parallelstraße 19 m breit. Seine Geschichte in Frankfurt am Main ist bewegt: 1462 wurde dort die Hirsch Apotheke gegründet, und aus ihr ist inzwischen der weltweite Medizinkonzern Fresenius geworden. Der residiert natürlich nicht mehr am Ort, fühlt sich aber seiner Geschichte verbunden.
So bekamen die Architekten des Büros Tek To Nik den Auftrag, jenes schmale Grundstück mit der Adresse Zeil 111 neu zu planen und ihm neues Leben zu geben. Die Zeil ist heute einer der wichtigsten Einkaufsstraßen Deutschlands.
Die Apotheke gibt es immer noch dort, und so war es einer der Wünsche des Auftraggebers, dass sie auch während der Baumaßnahmen ununterbrochen in Betrieb bleiben möge. Bauherr war die Else-Kröner-Fresenius Stiftung, die schon in ihrem Namen an die Konzerngeschichte erinnert.
Das verlangte einige besondere Lösungen in der Technik und im Bauablauf, die wir hier nicht behandeln können. Wir wollen uns auf die Architektur zur Wiederbelebung des Grundstücks konzentrieren.
Eines der Ziele der Architekten war, die Passanten von der Zeil in die Passage zu locken.
Sie gestalteten deshalb die Fassade mit Anklängen an ein Torhaus: zu beiden Seiten des Eingangs gibt es massiv wirkende Pfeiler aus dem portugiesischem Kalkstein Creme Royal Vogue. Die Steinelemente haben außergewöhnliche Dimension: die größten messen 3,20 x 1,20 x 0,80 und bringen damit 6 t auf die Waage. Auch so vermittelt das Gebäude den Eindruck von Stabilität und Langlebigkeit, wie vom Auftraggeber gewünscht.
Allerdings sind die Pfeiler in Wirklichkeit nur U-förmige Schalen. Befestigt sind sie an Stahlpfeilern.
Solch ein Portal gibt es auf beiden Seiten des Grundstücks als Zugang zur Passage. Eine weitere Besonderheit sind die Kanten der Steinelemente: direkt am Zugang sind sie als Fasen ausgeführt, also im Winkel von 45 Grad geschnitten. Manfred Wenzel, Gründer von Tek To Nik, nennt zunächst die praktischen Gründe dafür: „Normale Ecken würden in der Stadt leicht abgestoßen und würden dann verschandeln.“
Aber auch für die Wirkung der Portale spielen die Fasen eine Rolle, fügt er hinzu: „Der Blick auf diese Schrägen, gewissermaßen ein paar Zentimeter in den Stein hinein, verstärkt den Eindruck von Massivität noch weiter.“
Auf den Geschossen über der Apotheke sind nun Arztpraxen, Büros und Wohnungen untergebracht. In der Fassade setzt sich der Naturstein von unten fort – jedoch ist er nicht mehr das prägende Material.
Das ist nun Glas und es ist in markanten Prismenfenstern ausgeführt, die in die Straßenflucht herausragen. Man kann darin einen Bezug auf die vielfältigen Erker mittelalterlicher Gebäude sehen. Manfred Wenzel beschreibt das Konzept von Portalen und Prismenfenstern folgendermaßen: „Zum einen haben wir den massiven Stein und zum anderen die vielfältigen Reflexionen im Glas – wir spielen mit den Möglichkeiten von Öffnungen.“
Die gläsernen Dreiecke in den Prismenfenstern greifen die Architekten wiederum im Naturstein auf, und zwar als diagonale Linien in den kleinen Quadraten. Das trägt dazu bei, dass die Fassade trotz der sehr unterschiedlichen Details als Einheit erlebt wird.
Auf der anderen Seite des Grundstücks, an der Straße Holzgraben, findet man ebenfalls ein Portal und die Prismenfenster.
Da die hier aber zur Verfügung stehende Fassadenbreite mit 19 m fast die doppelte Breite gegenüber der Zeil-Seite hat, ist die Front mit Kanneluren gerahmt.
Auf den oberen Geschossen liegen Ein- und Zwei-Zimmer-Appartements mit 25 bis 45 Quadratmetern Fläche.
Auf den ersten Blick mögen Architektur und Materialwahl sowie der Kostenrahmen (18 Millionen €) als Zeichen von Üppigkeit erscheinen: Der Grund für die Gestaltung scheint darin zu liegen, dass hier eine gemeinnützige Stiftung der Bauherr war, die der eigenen Firmengeschichte ein Denkmal setzen wollte.
Die Architekten weisen jedoch auf einen ganz kommerziellen Aspekt ihrer Arbeit hin: „Ziel ist nicht eine kurzfristige Rendite durch baldigen Verkauf des Gebäudes, sondern eine auf lange Zeit dauerhafte Kapitalverzinsung zugunsten der sozialen Zwecke der Stiftung. Dafür bedarf es auch einer Gestaltung und Bauqualität, die auf Dauer und Substanz ausgerichtet ist.“
Else-Kröner-Fresenius Stiftung
Fotos / Rendering: Tek To Nik
(13.06.2022)