Die niederländische Künstlerin holt das Innere der Rohblocks nach außen und arbeitet sogar mit Findlingen
„Es ist so viel Leben im Stein“, antwortet die niederländische Künstlerin Karin van Ommeren geduldig per Mail auf unsere vielen Fragen, „es gibt so viele Geschichten zu erzählen“. Kennzeichen ihrer Skulpturen von monumentaler Größe über Grabmalobjekte bis hin zu kleinen Dingen für zuhause, ist, dass es sich immer um einfache Formen handelt.
Nur gelegentlich gibt es zum Beispiel in einem aufrecht stehenden Steinstab einen kleinen Knoten, den man vielleicht als Lachen oder als Ausrufezeichen verstehen kann.
Die Geschichten, die sie bei diesen Werken erzählt, sind solche aus dem Inneren des Steins: wenn die Oberfläche bearbeitet ist, bleiben bei ihr einfache und glatte Flächen übrig. Die haben dann die Funktion eines Bildschirms oder einer Leinwand: zu sehen ist nichts als die Farbe des Steins, die normalerwiese verborgen ist, oder seine innere Struktur.
Die besten Beispiele für solche Arbeiten sind die aus rotem Travertin aus dem Iran: ein Lacküberzug aus chemischer Produktion könnte kein schöneres Rot zeigen, und die Fehlstellen im Material wollen gar nicht zugespachtelt und abgeschliffen werden.
Als Geschichte dazu könnte man nun noch weitererzählen, wie der der Stein von der Natur gebildet wurde und in welchen Prozessen die Farbe und die Fehlstellen entstanden sind.
Solche Fragen aus der Wissenschaft scheinen sie aber nicht wirklich zu interessieren. Zumindest spricht sie sie weder auf ihrer Webpage noch im parallelen Blog an.
Eher interessieren sie die Menschen, die mit dem Stein zu tun hatten. „Wo es Steinbrüche gibt, ist die Geschichte der Bevölkerung damit verwoben,“ schreibt sie: „Die Familien haben dort gearbeitet, die Dörfer und Straßen sind aus heimischem Stein gebaut, wie die Paläste und Tempel für die Könige und die Götter. Wenn man ein Stück Stein in die Hand nimmt, wird man dessen gewahr.“
Manchmal stehen ihre Arbeiten auch unter einem Thema und erzählen die Geschichte dazu. Im Fall von „The Power of Asclepius“ (Die Macht von Äskulap) ging es um die antike Geschichte des griechischen Gottes der Heilkunst. Mit dieser Arbeit wollte sie während der Pandemie die Wertschätzung für Medizin und Hygiene zum Ausdruck bringen.
In ihrem Blog, in den sie regelmäßig kurze Gedanken einstellt, finden sich diese Geschichten zuhauf. Dort kann man über ihre Faszination an Steinbrüchen lesen: „Eine raue und schöne Landschaft zugleich. Die kraftvolle Energie, die man dort in solch einer ,zerstörten‘ Landschaft findet, hat mich immer inspiriert.“
Auch Findlinge bearbeitet sie und macht gleich einen Spaß: „Diese Steine mit der Form von Kartoffeln tragen einen unsichtbaren Schatz in sich.“ Dabei bearbeitet sie immer nur einen Teil dieser Felsbrocken. Der Rest bleibt ohne Veränderung und kündet davon, dass auch „das Innere dieser ,Kartoffeln’ absolut schön ist“, wie sie es formuliert.
Karin van Ommeren studierte am Hoger Sint Lukas Instituut in Brussel und an der Academy for Fine Arts in Anderlecht und Brussels. Danach war die auch als Lehrerin für Steinbildhauerei in Amsterdam and Haarlem tätig. Auf ihrer Webpage findet man auch Zeichnungen von ihr.
(24.06.2022)